Die Frage einer aktiven Beteiligung im Social Web ist streng genommen überflüssig. So werden zwar mitunter gewichtige Bedenken formuliert, jedoch findet ein vielfältiger Unternehmensbezug im Social Web in der Regel bereits statt: Nutzer tauschen sich über Probleme und Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen aus, Talente diskutieren über Arbeitgeber – vielfach beteiligen sich Mitarbeiter, kritische Akteure begleiten das gesamte Geschäftsgebaren und vieles andere mehr.
Die Relevanz dieser Kommunikationen für individuelle Auswahlentscheidungen wird dadurch unterstrichen, dass scheinbar Gleichgesinnten ("authentisch!") in diesen digitalen Arenen mehr Glaubwürdigkeit zugesprochen wird, als dem professionellen Verkaufspersonal oder der klassischen Rekrutierungstruppe.
Social Engagement is the new Value Chain
Da nun immer mehr Menschen bzw. Internetnutzer Dialog erwarten, bleibt den betroffenen Fachseiten keine Wahl, als ihre Wertschöpfungsketten – natürlich unterschiedlich weit – im Bereich Social Engagement auszubauen.
Interessanterweise lässt sich diese Transformation zu höheren "Engagement Levels" auf ein sehr grundlegendes Prinzip zurückführen. So besagt das Varietätsgesetz von Ross Ashby – 1956 erstmals formuliert – sinngemäß: Wenn Systeme Einfluss ausüben wollen, dann sollten sie möglichst so viele Antwortmöglichkeiten ("Varietät") haben wie ihre relevante Umwelt: Only variety can beat variety.
Da nun die Social-Media-Dialogwelt ein beträchtliches Varietätspotenzial bereithält, müssen die Unternehmen ihre Dialogfähigkeit ausbauen, aber in unterschiedlichem Maße für unterschiedliche Funktionen.
Um diesem Gefüge eine Übersicht zu geben, lassen sich – in grober Näherung – den einzelnen Fachseiten konkrete "Social-Media-Engagement-Level" zuordnen, die mittelfristig erreicht werden sollten (s. Abb. 1).
Abb. 1: Transformationspfade ausgewählter Fachfunktionen.
Ein (systembildendes) Grundverständnis der einzelnen Entwicklungslinien ist für die Aufgabe der Rationalitätssicherung im Unternehmen unerlässlich. Die gesamte Systematisierung unterstreicht die Notwendigkeit von (systemkoppelnden) Abstimmungsaufgaben.
Herausforderungen fachlicher Differenzierung
So erschwert die hohe fachliche Differenzierung eine gesamthafte Strategie und Steuerung, um diese zeitgemäße Erwartungshaltung anzugehen: Oft stehen fragmentarische Antworten durch die einzelnen Fachseiten am Beginn der Weiterentwicklung. Dies führt naturgemäß zu Abstimmbedarfen, Zielkonflikten, Prozessanpassungen und neuen Steuerungsanforderungen.
Eine stärkere Beteiligung von Controlling kann Reibungsverluste reduzieren. Es entstehen somit neuartige Aufgaben der Systembildung und -kopplung:
- Prozessanpassungen innerhalb der einzelnen Fachseiten sollten begleitet werden.
- Ebenso müssen Planungs-, Kennzahlen- und Berichtssysteme ergänzt werden.
- Gleichzeitig treten neuartige Abstimmungsthemen zwischen verschiedenen Funktionen auf.
Diese Aufgaben werden in der Praxis dadurch erschwert, dass die Fachbereiche ihre Anpassungen nicht synchron durchführen, weil fast überwiegend ein umfassender Ansatz fehlt.
Transformation begleiten
Die Umfeldkomplexität steigt (durch absolute Zunahme wahrnehmbarer Stakeholder, wachsenden Kontrollverlust und steigende externe Vergeltungskraft). Einzelne Fachbereiche beginnen, ihre erreichbare Antwortkomplexität auszubauen. Die Ausweitung der Dialogfähigkeit in den Fachbereichen kann auch einen Wechsel der Koordinationsform erfordern. Es steigt die Gesamtkomplexität im Unternehmen, die Aufgabe der Koordination wird tangiert. Dies funktioniert selten reibungslos. Diese Transformation zu begleiten, ist reinste Controlling-Aufgabe.