Dr. Thomas A. Degen, Benjamin Krahmer
Ausgangssituation
Softwarebezogene Verträge erfordern eine Risikomatrix, d.h. der Analyse des technischen und betriebswirtschaftlichen Sachverhalts, der systematischen Abschätzung und Bewertung von Risiken und des Rechtsrahmens. Diese Verträge weisen in erhöhtem Maße rechtliche Risiken auf, da einerseits viele Leistungsformen ganz neu sind und standardisierte Vertragsregelungen noch nicht bestehen und andererseits die enge Verknüpfung der Software-Nutzung mit Urheberrechten zu einer Vielzahl von urheberrechtlichen Fragen führt, deren Beantwortung von der Rechtsprechung erst ansatzweise in Angriff genommen wurde. Hinzu kommt, dass aktuelle Methoden der Software-Entwicklung etwa durch den Verzicht auf Pflichtenheft und Dokumentation zu teilweise erheblichen Unsicherheiten über die Pflichten der Vertragsparteien und sogar zum Scheitern von Entwicklungsprojekten führen können.
Unternehmen oder freiberufliche IT-Anwender beauftragen oft freie Softwareentwickler oder Softwarehäuser, die für bestimmte, meist betriebliche Probleme softwarebezogene Lösungen entwickeln sollen. Anders als bei reiner Softwareüberlassung muss hier eine solche Lösung erst erarbeitet werden. Dies führt zu erhöhten Risiken auf Seiten des Auftraggebers (der grundsätzlich vorab und auf eigenes Risiko definieren muss, welche Aufgabe eigentlich gelöst werden soll) wie auch auf Seiten des Auftragnehmers (der kalkulieren muss, ob er es riskieren kann, dem Auftraggeber zu einer marktfähigen Vergütung die Lösung der so definierten Aufgabe zu versprechen).
Das Vertragsmuster fasst die wichtigsten Elemente zur vertraglichen Regelung solcher Softwareentwicklungsprojekte zusammen. Ausgangspunkt ist der jeweilige Zweck der Programmerstellung. Er legt den Umfang fest, in dem der Auftragnehmer dem Auftraggeber Nutzungsrechte an der Software einzuräumen hat (§ 31 Abs. 5 UrhG, Zweckübertragungsgrundsatz).
Einem aktuellen Trend folgend werden branchenübergreifend in Mittelstand wie Industrie Softwaresysteme nachgefragt, die bedarfsgerecht funktionieren sollen. Klassische Methoden der Softwareentwicklung nach dem statischen Wasserfallmodell werden den neuen Anforderungen nicht mehr gerecht, weil diese starr, zeitintensiv und teuer sind. Bei komplexen Software-Neuentwicklungen setzten Entwickler auf eine Reduzierung von langen Planungsphasen, auf Kreativität und Flexibilität. Als bekannteste agile Methode hat sich Scrum einen Namen gemacht (nach Jeff Sutherland/Ken Schwaber). Als Vorgehensmodell des Projekt- und Produktmanagements zur agilen Softwareentwicklung wird Scrum vielfach vereinbart, um eine ideale Prozessmethode und bestmöglichen Output zu realisieren. Aus Sicht der IT-Rechtspraxis und zur Vermeidung von Streitfragen wird hier ein eigenständiges Vertragsmuster empfohlen für den IT-Projektvertrag und die Softwareerstellung durch agiles Programmieren. Ein solches Vertragsmuster folgt ganz besonderen technischen Eigenheiten, dies eine individuellen Analyse und Beratung erforderlich machen und hier nicht abgebildet, sondern nachfolgend nur beispielhaft grob skizziert, sein können. Ausführliche Praxisbeispiele zu agilen Projekten, Scrum, F&E und Datenschutz sowie KANBAN, XP, Spiralmodell, MDA, RUP & Co. werden behandelt bei Degen/Deister, IT- und Datenschutz-Compliance für Unternehmen, 2. Aufl. 2022, Kap. 9, S. 293 ff.
Rechtlicher Hintergrund
a) Werkvertragsrecht
Beim Softwareerstellungsvertrag ist für die vertragstypologische Einordnung der objektive Gehalt des jeweiligen gesamten Vertragsverhältnisses maßgebend, wobei maßgeblich auf den zwischen den Parteien vereinbarten Vertragszweck abzustellen ist, wie er sich aus der Leistungsbeschreibung und dem hieran anknüpfenden Parteiwillen, insbesondere auch aus der verobjektivierten Kunden-/Auftraggebererwartung (vgl. das wegweisende Urteil desBGH v. 4.3.2010, III ZR 79/09 Rn. 16, "Internet-System-Vertrag"; vgl. Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2016, § 10 Rn. 17). Auch aus diesem Grunde ist für sämtliche Leistungen selbst dann Werkvertragsrecht anwendbar, wenn eine individualisierte Software sowie deren Implementierung und Support vertraglich vereinbart ist. Eine Bezeichnung einzelner Leistungen als Kauf- oder Dienstvertrag würde dem auch nicht entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil v. 25.03.2010, VII ZR 224/08 Rn. 14: OLG Hamm, Urteil v. 26.2.2014, I-12 U 112/13; zur Thematik Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2016, § 10 Rn. 50, 52, 55, Rn. 67 Punkt 3.3.3).
Es kommt nach heutiger Sicht und der Akzeptanz auch typengemischter Verträge und von IT-Verträgen sui generis nicht darauf an, ob (semi-)agile Softwareverträge ausschließlich dem Werkvertragsrecht unterstellt werden können oder nicht. Dies ist abhängig von den im Einzelfall konkret getroffenen Regelungen und im Einzelnen umstritten. Allein die Bezeichnung ist dabei nicht unbedingt maßgebend, sondern der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Vertragsparteien (vgl. hierzu Fuchs, Meier...