Larissa Baier, Dr. Carsten Bange
Anforderungserhebung wichtigste Phase
Da die Anforderungserhebungsphase die wichtigste Phase im gesamten Prozess ist, sollte ihr genügend Beachtung geschenkt werden. Einer der häufigsten Fehler im Rahmen der Anforderungsanalyse stellt der beschränkte Einbezug verschiedener Parteien im Unternehmen dar. Wir sehen häufig Softwareauswahlprojekte, die von einem bestimmten Unternehmensbereich ohne Hinzunahme oder Kommunikation an weitere Bereiche, durchgeführt werden. Handelt es sich um eine Spezialsoftware für einen bestimmten Anwendungsfall kann es sinnvoll sein den Kreis der Beteiligten aufgrund des eingeschränkten Empfänger- bzw. Nutzerkreises klein zu halten. Wenn jedoch andere Unternehmensbereiche ähnliche Lösungen einsetzen (können) oder die Software oder ihre Ergebnisse übergreifend genutzt werden, dann können durch eine übergreifende Softwareauswahl wahrscheinlich Synergieeffekte in Auswahl, Anschaffung und Betrieb der Lösungen erzielt werden. Grundlegend ist die Zusammenarbeit zwischen Fachbereichen und IT um sowohl fachliche Aspekte der Softwarenutzung als auch technische Aspekte des Softwarebetriebes. Sobald der Kreis der Anforderungsgeber so definiert wurde, kann die Erfassung der Anforderungen erfolgen.
Formen der Anforderungserhebung
Eine Diskussion, Erfassung und Abstimmung von Anforderungen kann in unterschiedlichen Formen erfolgen. Typischerweise werden durch Projektleiter oder Projektteam entweder Einzel- bzw. Gruppen-Interviews oder Workshops durchgeführt. Die Entscheidung für eine der beiden Formen kann abhängig der Gruppengröße und -heterogenität der zu besprechenden Themen gewählt werden. Einzelinterviews haben einen Vorteil, dass der Personenkreis stärker involviert wird. Gruppendiskussionen zeichnen sich häufig durch eine Eigendynamik aus, sodass die Diskussion durch Teilnehmer aktiv angeregt wird. Im zweiten Fall profitieren die Beteiligten von Ideen der Kollegen und haben i. d. R. Vorteile bei der Formulierung ihrer Anforderungen.
Unabhängig von der Form der Anforderungserhebung hat es sich als zweckmäßig erwiesen, die Anforderungen in
- allgemeine,
- funktionale,
- technische und
- organisatorische
Anforderungen an die Software zu gliedern und diese getrennt zu erfassen.
2.1.1 Allgemeine Kriterien
Die allgemeinen Kriterien enthalten häufig die Anforderungen an den Anbieter wie Globalität/Lokalität, Umsätze, Positionierung im Markt, allgemeine Anforderungen an das Produkt wie Vorhandensein von Referenzen, Produktreife, strategische Weiterentwicklung oder die benötigten Komponenten (Front End, Datenintegration etc.). Für traditionelle Fragestellungen im BI-Bereich existiert eine Reihe an Anbietern mit ausgereiften Lösungen, die eine Vielzahl an Kundenreferenzen vorweisen können. Hier empfiehlt es sich mit anderen Anwendern in Kontakt zu treten, um das tatsächliche Einsatzumfeld und die Erfahrungen abzuprüfen. Die Dauer im Markt und Markpräsenz können so für klassische Reporting- und Datenanalyselösungen als Auswahlkriterium eine größere Rolle spielen, als bei Trendthemen wie der Einsatz fortgeschrittener Analysemethoden durch Advanced und Predictive Analytics oder die Auswertung neuer Datenquellen ("Big Data"). Hier lohnt sich häufig auch ein Blick auf neue und innovative Anbieter.
Ein Teil der allgemeinen Kriterien sind auch die finanziellen Rahmenbedingungen der Softwareanschaffung. Auch wenn wir empfehlen, die kommerzielle Betrachtung von Anschaffung und Betrieb der Lösungen getrennt von sonstigen Bewertungen vorzunehmen, können finanzielle Restriktionen bestimmte Marktsegmente oder Lösungen direkt ausschließen.
Strategische Anbieterkriterien nicht übergewichten
Die anbieterbezogenen Kriterien sind zwar wichtig für eine Bewertung, sollte die Auswahl aber nicht dominieren. Die grundsätzliche Empfehlung lautet: "Kaufe die Software und nicht den Anbieter". Unsere Befragungen zeigen immer wieder, dass Best-in-Class-Unternehmen im BI-Bereich ihren Fokus in der Auswahl auf die Software-bezogenen Kriterien, also insbesondere die technische Leistungsfähigkeit und die Funktionalität, statt auf Anbieterkriterien wie Größe oder Reputation des Anbieters legen (Abb. 4).
Abb. 4: Kaufgründe für Software unter Best-in-Class-Unternehmen und Nachzüglern ("Laggards") (n=438) (Quelle: BARC, https://bi-survey.com)
2.1.2 Funktionale Anforderungen
Typische Probleme in der Anforderungserhebung vermeiden
Aus diesem Grund sollten die funktionalen und technischen Anforderungen stärker gewichtet werden. Funktional gilt es die Anforderungen in den typischen BI-Szenarien wie Dashboards, Standard-Berichtswesen, Ad-hoc-Berichtswesen, Analyse, Planung, Advanced Analytics, legale Konsolidierung oder zusätzliche Szenarien wie Self-Service BI, Geo-Analytik, "Big Data" Analytik usw. zu verstehen. Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, die fachlichen Aufgabestellungen in funktionale Anforderungen an die Software zu übersetzen. So werden bspw. Markierungen von überschrittenen Schwellwerten bei Kennzahlen über Funktionen der bedingten Formatierung abgebildet. Bei starker Nutzung ged...