8.1 Entscheidung des BVerfG
Ob ein Wirtschaftsgutstransfer zwischen Schwesterpersonengesellschaften nach § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert und damit steuerneutral möglich ist, ist vom I. und IV. Senat des BFH unterschiedlich beantwortet worden. Während der I. Senat eine Buchwertfortführung ablehnte, sollte diese nach der Auffassung des IV. Senats möglich sein. Der Streit mündete 2013 in einer Vorlage des I. Senats an das BVerfG, über die nach einer Verfahrensdauer von über 10 Jahren entschieden worden ist.
Das BVerfG teilt die Ansicht des I. BFH-Senats und hat entschieden, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, weil danach Wirtschaftsgüter zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zum Buchwert übertragen werden können. Das BVerfG hat den Gesetzgeber zu einer rückwirkenden Neuregelung für Übertragungsvorgänge ab 2001 verpflichtet. Die bisherige Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG bleibt bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung mit der Maßgabe anwendbar, das § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG mit Wirkung für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 auch gilt, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Personengesellschaft übertragen wird.
Nicht entschieden hat das BVerfG über den Fall, dass in den beiden vom Transfer betroffenen Personengesellschaften keine Beteiligungsidentität besteht und damit bei Zulassung eines Buchwerttransfers partiell stille Reserven von einem Teil der Gesellschafter auf einen anderen Teil der Gesellschafter überspringen würde.
Wegen dieser Rechtsunsicherheit wurde in der Praxis als Gestaltungsmöglichkeit zur Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften der fremdübliche Verkauf des Wirtschaftsguts zwischen Schwesterpersonengesellschaften unter Bildung und Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG in Betracht gezogen, was bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 6b EStG zulässig ist.
§ 6b EStG eröffnet aber keine der Buchwertübertragung gleichwertige Gestaltungsmöglichkeit, weil die Anwendung nur bei der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens möglich ist und unter der Bedingung steht, dass der Steuerpflichtige den Veräußerungsgewinn innerhalb des Reinvestitionszeitraums für die Anschaffung oder Herstellung bestimmter anderer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens verwendet.
8.2 Gesetzliche Neuregelung
Durch Artikel 3 des JStG 2024 wurde § 6 Abs. 5 EStG geändert. Der neu eingefügte § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG ordnet die Buchwertfortführung an, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich zwischen den Gesamthandsvermögen verschiedener Mitunternehmerschaften derselben, identisch beteiligten Mitunternehmer übertragen wird. § 6 Abs. 5 Satz 4 ff. EStG schränkt die Buchwertfortführung in den dort genannten Fällen ein. § 52 Abs. 12 Satz 14 ff. EStG enthält hierzu eine Anwendungsregelung. Nach § 52 Abs. 12 Satz 14 EStG ist § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG in allen offenen Fällen anzuwenden. Auf gemeinsamen Antrag der Mitunternehmer zum Zeitpunkt der Übertragung kann aus Vertrauensschutzgründen für Übertragungen vor dem 12.1.2024 (= Tag der Veröffentlichung des BVerfG-Beschlusses) von einer Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG, d. h. von einer Buchwertverknüpfung, abgesehen werden.
Der von der Entscheidung des BVerfG nicht erfasste Fall, dass in den beiden vom Transfer betroffenen Personengesellschaften keine Beteiligungsidentität besteht, wird von der Neuregelung durch das JStG 2024 nicht erfasst.
Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften
An der X-GmbH & Co. KG (KG 1) sind A und B zu je ½ als Kommanditisten beteiligt. Die K-Komplementär-GmbH, deren Anteile A und B zu je ½ halten, ist am Vermögen der KG 1 nicht beteiligt. Zum steuerlichen Gesamthandsvermögen der KG 1 gehört seit 20 Jahren ein unbebautes Grundstück, das einen Buchwert von 100.000 EUR und einen Teilwert von 250.000 EUR hat.
Kommanditisten der Y-GmbH & Co KG (KG 2) sind ebenfalls A und B je ½. Auch an der KG 2 ist die K-Komplementär GmbH, deren Anteile A und B zu je 50 % gehören, vermögenslos beteiligt. Bei der KG 1 und 2 handelt es sich somit um beteiligungidentische Personengesellschaften.
Die KG 1 will 2025 das Grundstück unentgeltlich erfolgsneutral zum Buchwert in das Gesamthandsvermögen der KG 2 übertragen. Die Buchwertübertragung ist nach dem neuen § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG zulässig.