Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sachverhalt
Ein regelbesteuerter Unternehmer aus Frankreich, der mit seiner zutreffenden USt-IdNr. auftritt, schließt mit dem Lohnunternehmer L aus Lüneburg einen Werkvertrag. Nach dem Inhalt des Vertrags soll L aus Stoffen, die ihm der französische Unternehmer zur Verfügung stellt, Tischdecken zuschneiden und umnähen. Der vereinbarte Werklohn beträgt netto 100.000 EUR. Die Stoffe werden aus Frankreich zu L transportiert; die bearbeiteten Tischdecken gelangen anschließend wieder zum Auftraggeber nach Frankreich zurück. Nach Abschluss der Arbeiten stellt L dem französischen Abnehmer eine Rechnung über 100.000 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer aus und weist in der Rechnung darauf hin, dass die Bearbeitung im Inland erfolgte.
3.2 Fragestellung
L möchte wissen, wie der Umsatz von ihm zu besteuern ist und welche weiteren Rechtsfolgen sich für ihn ergeben können.
3.3 Lösung
L ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG. Es handelt sich bei der von L ausgeführten Leistung um eine Werkleistung, da er fremde Stoffe bearbeitet, selbst aber nur Nebensachen oder Zutaten verwendet. Es handelt sich damit um eine sonstige Leistung, deren Ausführungsort zu prüfen ist. Bei Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen muss geprüft werden, ob diese Leistungen gegenüber einem Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werden oder gegenüber einer nichtunternehmerisch tätigen Person bzw. einem Unternehmer, der die Leistung nicht für sein Unternehmen bezieht. Wird die Leistung gegenüber einem Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt, bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 2 UStG und ist dort, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt oder eine die Leistung empfangende Betriebsstätte unterhält.
Verlagerung des Leistungsorts ins Drittlandsgebiet möglich
Wird die gegenüber einem Unternehmer ausgeführte sonstige Leistung ausschließlich im Drittlandsgebiet genutzt oder ausgewertet, ist die Leistung abweichend von § 3a Abs. 2 UStG als im Drittlandsgebiet ausgeführt zu behandeln.
Nur in den Fällen, in denen die Bearbeitung eines körperlichen Gegenstands gegenüber einem Nichtunternehmer ausgeführt wird, bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG und ist dort, wo der leistende Unternehmer für diese Leistung tätig wird.
Da der Leistungsempfänger die Leistung als Unternehmer für Zwecke seines Unternehmens bezieht, ist der Umsatz in Frankreich ausgeführt und ist damit im Inland nicht steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Die von L ausgeführte Leistung ist aber aufgrund der harmonisierten unionseinheitlichen Regelungen in Frankreich steuerbar, steuerpflichtig und unterliegt dem dortigen Steuersatz. Der Leistungsempfänger wird zum Steuerschuldner für die dort entstehende Umsatzsteuer.
Der deutsche Unternehmer L muss sich deshalb nicht in Frankreich umsatzsteuerrechtlich erfassen lassen, muss aber im Inland die Meldevorschriften – Aufnahme der Leistung gesondert in der Umsatzsteuer-Voranmeldung und in der Zusammenfassenden Meldung – beachten.
Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers abhängig von der Art der Leistung
Wird eine sonstige Leistung nach § 3a Abs. 2 UStG an einen Unternehmer für dessen Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat ausgeführt und ist dieser Umsatz dort steuerpflichtig, geht zwingend die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger über; der Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger in den Fällen des § 3a Abs. 2 UStG ist im Gemeinschaftsgebiet harmonisiert. Ist der Ort einer sonstigen Leistung nach einer anderen Vorschrift als nach § 3a Abs. 2 UStG in einem anderen Mitgliedstaat (z. B. bei Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück), muss immer nach den jeweils im Bestimmungsmitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften geprüft werden, wer dort der Steuerschuldner ist.
L hat aber in seiner Rechnung deutsche Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen. Dies ist unzutreffend, da der Umsatz in Deutschland nicht steuerbar ist. Es handelt sich um einen unrichtigen Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG. L schuldet die von ihm gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer von 19.000 EUR und muss diese gegenüber seinem Finanzamt anmelden. Die Steuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG mit Ausgabe der Rechnung, Steuerschuldner ist nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG der Unternehmer L. L kann aber die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG i. V. m. § 17 UStG berichtigen. Dazu muss er nicht die "falsche" Rechnung zurückerhalten, es reicht aus, wenn er dem Leistungsempfänger eine hinreichend genaue Rechnungsberichtigung zukommen lässt.
Kein Vorsteuerabzug für den Leistungsempfänger
Die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer kann der Leistungsempfänger als Vorsteuer weder im Veranlagungsverfahren (soweit er im Inland zur Umsatzsteuer veranlagt werden sollte) noch im Vorsteuervergütungsverfahren geltend machen. Er trägt somit das wirtschaftliche Risiko, falls er den ausgewiesenen Bruttobetrag an L zahlt. Die Steuerschuld in Frankreich für ...