Leitsatz
1. Die Durchführung des Schulschwimmens durch einen öffentlichen Schulträger ist eine hoheitliche Tätigkeit (§ 4 Abs. 5 KStG), die grundsätzlich vom öffentlichen Bäderbetrieb zu trennen ist.
2. Im Rahmen der Spartenrechnung einer kommunalen Eigengesellschaft (§ 8 Abs. 9 KStG) kommt es beim Schulschwimmen darauf an, wie die Tätigkeiten der Eigengesellschaft und ihres kommunalen Anteilseigners ohne Zwischenschaltung der Eigengesellschaft nach BgA-Grundsätzen zu beurteilen wären (fiktive Betrachtung). Daraus folgt, dass bei einer kommunalen Eigengesellschaft, die ihr Bad für Schulschwimmen zur Verfügung stellt und daraus Dauerverluste erzielt, auch dann die Bildung einer gesonderten Sparte für hoheitliche Tätigkeiten in Betracht kommt, wenn sie selbst nicht hoheitlich tätig geworden ist.
Normenkette
§ 4 Abs. 6, § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 9, § 9 Satz 1 Nr. 1, § 34 Abs. 6 Sätze 4 und 5 KStG, § 68 Satz 1, § 127 FGO, Art. 107 Abs. 1, Art. 108 Abs. 3 AEUV
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine kommunale Eigengesellschaft in der Rechtsform der GmbH, die unter anderem für die Energieversorgung, aber auch für den öffentlichen Badebetrieb verantwortlich ist. Alleingesellschafterin der Klägerin ist die Stadt X. In den Streitjahren 2009 bis 2013 wurden die Bäder der Klägerin auch von der Stadt X genutzt. Diese erteilte dort den Schülern ihrer kommunalen Schulen Schwimmunterricht und zahlte dafür der Klägerin ein Entgelt, das bezogen auf die einzelnen Schüler dem Entgelt anderer Nutzer des Bades entsprach. Trotzdem erzielte die Klägerin durch das Schulschwimmen einen jährlichen Verlust.
Das FA ordnete den durch das Schulschwimmen entstandenen Verlust einer gesonderten Sparte i.S.d. § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG zu. Die Ergebnisse der übrigen Tätigkeiten der Klägerin erfasste es in einer Sparte 2.
Einspruch und Klage gegen diese Zuordnung blieben erfolglos (FG Münster, Urteil vom 26.4.2017, 9 K 3847/15 K,F, Haufe-Index 11032549).
Entscheidung
Der Revision der Klägerin blieb ebenfalls der Erfolg versagt. Der BFH bestätigte das erstinstanzliche Urteil aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen.
Hinweis
1. Das Urteil gehört zum Themenkreis des sog. steuerlichen Querverbunds, den der Gesetzgeber 2009 im Wesentlichen mit den Regelungen in § 4 Abs. 6 und § 8 Abs. 7 bis 9 KStG einer gesetzlichen Regelung zugeführt hat. Ziel des von Städten und Gemeinden häufig praktizierten steuerlichen Querverbundes ist stets, die Verluste aus Betrieben, die sich aus sozialpolitischen Gründen wirtschaftlich nicht erfolgreich betreiben lassen (sog. Dauerverlustbetriebe, insbesondere aus dem Bäderbetrieb), mit Gewinnen aus gewinnträchtigen Betätigungen (insbesondere Energieversorgungsbetriebe) zu verrechnen. Vorliegend geht es um die dauerdefizitäre Durchführung des Schulschwimmens. Auch hier sollten die Verluste mit den Gewinnen der Klägerin aus dem Versorgungsbereich verrechnet und auf diese Weise steuerlich nutzbar gemacht werden.
2. Mit der 2009 eingeführten Spartenrechnung regelt der Gesetzgeber die Verrechnung von Verlusten. Die Spartenrechnung "funktioniert" im Prinzip wie folgt: Nur bei mehreren Tätigkeiten, die ein und derselben Sparte zugeordnet werden, ist die Verlustverrechnung zulässig (gesonderter Verlustverrechnungskreis). Wird die dauerdefizitäre Tätigkeit aber einer bestimmten Sparte zugeordnet, in der sich keine gewinnbringende Tätigkeit "befindet", dann scheitert die Verlustverrechnung. Die gewinnbringende Tätigkeit wird in einer anderen Sparte erfasst und dort unterliegen die Gewinne der Besteuerung.
3. Im Streitfall hatte das FA das (dauerdefizitäre) Schulschwimmen einer eigenen Sparte 1, den (gewinnträchtigen) Versorgungsbetrieb einer Sparte 2 zugeordnet, was die Verlustverrechnung verhinderte.
4. Der BFH hat die Vorgehensweise des FA gebilligt. Denn nach § 9 Satz 1 Nr. 1 KStG sind Dauerverlustgeschäfte, die bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören würden, einer eigenen Sparte zuzuordnen.
Schulschwimmen ist zweifellos eine hoheitliche Tätigkeit. Die Klägerin hatte dennoch die Anwendung des § 9 Satz 1 Nr. 1 KStG in Zweifel gezogen, weil sie selbst als kommunale Eigengesellschaft in Rechtsform einer GmbH weder eine juristische Person des öffentlichen Rechts sei noch selbst das Schulschwimmen durchgeführt habe. Das Schulschwimmen habe vielmehr die Stadt selbst in Eigenregie organisiert.
Mit diesen Einwendungen ist die Klägerin vor dem BFH allerdings nicht durchgedrungen. Denn der BFH lässt eine fiktive Betrachtung genügen: Maßgebend ist, wie der öffentliche Badebetrieb und das Schulschwimmen zu beurteilen wären, wenn die Stadt diese Tätigkeiten ohne Zwischenschaltung einer kommunalen Eigengesellschaft ausgeübt hätte. Bei fiktiver Betrachtung kann es aber keinem Zweifel unterliegen, dass das hoheitliche Schulschwimmen einer eigenen Sparte zuzuordnen gewesen wäre.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.12.2020 – I R 50/17