Leitsatz
Zuwendungen an eine rechtsfähige Stiftung sind vor deren Anerkennung nicht als Sonderausgaben abziehbar.
Normenkette
§ 10b Abs. 1a, § 10d, § 52 EStG, § 80 Abs. 1, § 81 Abs. 2, § 82, § 84, § 1923 BGB, § 1 Abs. 1 Nrn. 4 und 5, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin und ihre Schwester hatten sich im November 2007 in einem Stiftungsgeschäft verpflichtet, noch im Jahr 2007 jeweils 300.000 EUR in das Stiftungskapital der zu errichtenden J-Stiftung zu zahlen. Am selben Tag gaben sie der Stiftung die Satzung, die laut § 15 mit Bekanntgabe der "Genehmigung" durch die Stiftungsbehörde in Kraft treten sollte. Das FA S erließ am 7.12.2007 eine vorläufige Bescheinigung, wonach die Satzung den Gemeinnützigkeitsgrundsätzen entspreche. Am 17.1.2008 wurde die Stiftung anerkannt. Bereits am 21.11.2007 – somit vor dem Eingang der Urkunden über das Stiftungsgeschäft sowie der Satzung beim FA S und dem Regierungspräsidium – hatten die Klägerin und ihre Schwester jeweils 300.000 EUR auf das auf den Namen der Stiftung lautende Girokonto, über das sie nicht verfügungsberechtigt waren, unter Angabe des Verwendungszwecks "Stiftungsgeschäft" überwiesen. Zur Vorstandsvorsitzenden der Stiftung wurde die Generalbevollmächtigte der Klägerin (B) bestellt. Die Stiftung, vertreten durch B, stellte am 4.12.2007 eine Spendenbescheinigung für die Klägerin aus. Das FA ließ den Spendenabzug nicht zu, weil die Stiftung erst im Jahre 2008 entstanden sei.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 8.2.2011, 4 K 4080/09, Haufe-Index 2729679). Es habe im Zeitpunkt der Zuwendung weder eine rechtsfähige noch eine nicht rechtsfähige Stiftung vorgelegen. Wegen fehlender Gutgläubigkeit greife auch § 10b Abs. 4 Satz 1 EStG nicht ein.
Entscheidung
Der BFH gab dem FG aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen recht und wies die Revision als unbegründet zurück. Er brauchte im Streitfall (VZ 2007) nicht zu entscheiden, ob die Zuwendung der Klägerin an die Stiftung im Jahr 2008 als Spende abziehbar war.
Hinweis
1. Nach § 10b Abs. 1a EStG können Spenden an eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreite Stiftung des privaten Rechts auf Antrag des Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum der Zuwendung und in den folgenden neun Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag von 1 Mio. EUR zusätzlich zu den Höchstbeträgen nach Abs. 1 Satz 1 als Sonderausgaben abgezogen werden.
Dies setzt aber entweder das Bestehen einer rechtsfähigen oder einer nicht rechtsfähigen Stiftung voraus.
2. Eine Anerkennung der Spende unter dem Gesichtspunkt der Zuwendung an eine sog. Vorstiftung scheidet nach Auffassung des BFH aus. Er geht mit der bisherigen Rechtsprechung der FG und der herrschenden Meinung in der Literatur u.a. mangels eines Registrierungsverfahrens und einer Dotationspflicht vor Anerkennung davon aus, dass eine Vorstiftung zivilrechtlich nicht anzuerkennen ist und somit kein begünstigter Zuwendungsempfänger i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 bzw. 5 KStG sein kann. Bis zur Anerkennung der Stiftung durch die Aufsichtsbehörde ist der Stifter nämlich an sein Zuwendungsversprechen weder schuld- noch sachenrechtlich gebunden. Dies folgt aus § 81 Abs. 2 BGB, wonach das Stiftungsgeschäft bis zur Anerkennung jederzeit widerrufbar ist. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Personen das Stiftungsgeschäft abgeschlossen haben.
3. Die sog. Vorstiftung ist dogmatisch nicht mit der Vorgesellschaft vergleichbar. Das charakteristische Merkmal der Vorgesellschaft besteht darin, dass sie über eine Vermögensmasse verfügt, die im Verhältnis zu den sie einbringenden Gesellschaftern schon vor der Eintragung der Gesellschaft eine gewisse Verselbstständigung erfahren hat. Im Stiftungsrecht hingegen findet eine solche Vermögensverselbstständigung vor der Anerkennung der Stiftung nicht statt. Es entsteht kein Sondervermögen.
Gegen die Anerkennung der Vorstiftung spricht auch das "Schweigen des Gesetzgebers" anlässlich der Reform des Stiftungsrechts im Jahr 2002, bei der er weder die Vorstiftung geregelt und noch wenigstens den §§ 11 Abs. 1 GmbHG bzw. 41 Abs. 1 Satz 1 AktG entsprechende Regelungen in das Stiftungsrecht aufgenommen hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.2.2015 – X R 36/11