Leitsatz

1. Wird eine Tochterkapitalgesellschaft, die Inhaberin von sperrbetragsbehafteten Anteilen einer anderen Kapitalgesellschaft ist, im Zug einer sog. Aufwärtsverschmelzung auf ihre "Mutter"-Personengesellschaft verschmolzen, ist bei der Ermittlung des Verschmelzungsgewinns der Personengesellschaft (§ 4 Abs. 4, 5 UmwStG 1995) ein sog. Sperrbetrag nach § 50c Abs. 7 EStG 1990 (i.d.F. des StandOG)/EStG 1997 zu berücksichtigen (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 25.03.1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 04.25).

2. Die Berücksichtigung des sog. Sperrbetrags im Zuge einer derartigen Aufwärtsverschmelzung berührt vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit i.S.d. Art. 52 EGV. Sollte der Sperrbetrag zugleich zu Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs führen, wären derartige Auswirkungen die unvermeidliche Folge der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Sie rechtfertigten keine Prüfung im Hinblick auf Art. 73b EGV (Anschluss an EuGH-Beschluss vom 10.05.2007, Rs. C-492/04 "Lasertec", BFH-PR 2007, 322, IStR 2007, 439).

 

Normenkette

§ 50c Abs. 1, § 50c Abs. 4 EStG 1990, § 50c Abs. 7 EStG 1990 i.d.F. des StandOG/EStG 1997, § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 i.d.F. vor dem Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002, Art. 52, Art. 73b EGV

 

Sachverhalt

Die Klägerin wurde 1995 als OHG mit Sitz im Inland errichtet. Ebenfalls in 1995 erwarb sie von einer niederländischen Kapitalgesellschaft, der X-B.V., alle Geschäftsanteile an einer inländischen GmbH, der ehemaligen YZ-GmbH ("Tochtergesellschaft"). Die Tochtergesellschaft war zu diesem Zeitpunkt alleinige Gesellschafterin einer weiteren inländischen GmbH ("Enkelgesellschaft"). Diese Anteile hatte die Tochtergesellschaft von einer nach damaliger Rechtslage nicht zur Anrechnung von KSt berechtigten schweizerischen Kapitalgesellschaft, der Y-AG, am 31.12.1993 erworben. Dieser Erwerb führte bei den Anteilen an der Enkelgesellschaft zu einem Sperrbetrag i.S.d. § 50c Abs. 1 und 4 EStG 1990/1997.

Mit Verschmelzungsverträgen vom 29.08.1996 wurden zunächst die Enkelgesellschaft auf die Tochtergesellschaft und anschließend die Tochtergesellschaft auf die Klägerin verschmolzen (Gesamtrechtsnachfolge im Weg der Verschmelzung durch Aufnahme). Steuerrechtlicher Umwandlungsstichtag war in beiden Fällen der 31.12.1995. Die Eintragung der Verschmelzungen im Handelsregister erfolgte in 1997.

Im Rahmen der die Klägerin betreffenden gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte wurde das Übernahmeergebnis aus der Verschmelzung (§ 4 Abs. 4 UmwStG 1995) im ­ersten der drei Streitjahre (in 1995) erfasst. Abweichend von der Feststellungserklärung setzte das FA einen Sperrbetrag gem. § 50c Abs. 1 und 4 EStG 1990/1997 an.

Die dagegen gerichtete Klage wurde abgewiesen (EFG 2006, 1206).

 

Entscheidung

Der BFH sah das genauso wie das FG, wenn auch mit anderer Begründung: Der §-50c-Sperrbetrag werde "up stream" von der Enkel- bis schlussendlich zur Muttergesellschaft "mitgenommen", das allerdings nicht, wie das FA meinte, analog oder qua Auslegung § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 n.F., sondern über eine weite Auslegung des § 50c Abs. 7 EStG.

Ob die Sperrbetragsverhaftung europarechtswidrig sei, könne im Streitfall dahinstehen. Jedenfalls werde die Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit verdrängt. Und da allein die Kapitalverkehrsfreiheit hier einschlägig sei, weil der in Rede stehende Sperrbetrag eine Schweizer "Herkunft" habe und es damit um einen sog. Drittstaat gehe, wirke sich eine potenzielle Europarechtswidrigkeit nicht aus.

 

Hinweis

Es ging im Urteilsfall einmal mehr um die (allerdings wirtschaftlich weitreichende) Aufarbeitung von Steuerrechtsgeschichte, nämlich um das sog. Doppelumwandlungsmodell (oder das ähnlich wirkende verschmelzungsbedingte und ausschüttungsvermeidende Zusammenführen von Eigenkapitalien von Enkel- und Tochtergesellschaft) unter der Geltung des KSt-Anrechnungsverfahrens.

Ziel der Gestaltungsübung war es hier wie dort, den ausschüttungsbedingten sog. Sperrbetrag gem. § 50c Abs. 1 EStG a.F. "leer laufen" zu lassen. Sperrbetrag in diesem Sinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskos­ten der Anteile an der von einem KSt-Nichtanrechnungsberechtigten erworbenen Kapitalgesellschaft und ihrem Nennwert.

1. Es wird zunächst die Enkel- auf die Tochter- und anschließend Letztere auf die Muttergesellschaft "up stream" verschmolzen.

Die Frage, die sich nun stellt, war jene danach, ob der besagte Sperrbetrag gem. § 50c Abs. 1 EStG a.F. bei dem Verschmelzungen von der untersten Ebene der Enkel- auf die Ebenen der nachfolgenden Gesellschaften "mitgenommen" wird oder ob er im Zug der Verschmelzungen "auf der Strecke bleibt". Für Letzteres sprach so einiges, weil der Gesetzgeber zunächst "vergessen" hatte, eine entsprechende "Mitnahmeregelung" im Gesetz zu verankern. Dazu kam es erst später -- durch das StEntlG 1999/2000/2002: § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 wurde entsprechend ergänzt, und zwar angeblich -- so die amtliche Regelungsbegründung und die Verwaltungspraxis (BMF, Schreiben vom...

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