Leitsatz
1. Ist dem BfF der Inhalt einer weiterzugebenden Auskunft bereits bekannt, so erfordert die Auskunftserteilung an eine ausländische Finanzbehörde keine Amtshandlung in einem Besteuerungsverfahren nach der AO 1977 i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 EGAHiG. Es kommt auch nicht darauf an, ob das BfF sich die vorhandenen Informationen in einem Besteuerungsverfahren rechtmäßigerweise hätte beschaffen können, wenn es sie noch nicht hätte (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 17. Mai 1995 I B 118/94, BFHE 177, 242, BStBl II 1995, 497).
2. Die FG haben in einem Verfahren nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 EGAHiG zu prüfen, ob die weiterzugebenden Informationen über legitimationsgeprüfte Konten i.S. von § 154 Abs. 2 AO 1977 im Rahmen einer vorangegangenen Steuerfahndungsprüfung bei einem Kreditinstitut unter Verstoß gegen § 30a Abs. 3 AO 1977 erlangt worden sind (Abgrenzung zum Senatsbeschluss in BFHE 177, 242, BStBl II 1995, 497).
3. Eine Steuerfahndungsprüfung nach § 208 Abs. 1 AO 1977 ist keine Außenprüfung i.S. des § 30a Abs. 3 AO 1977. Für die Feststellungen der Steuerfahndungsbehörde über legitimationsgeprüfte Konten ergibt sich deshalb kein Verwertungsverbot gemäß § 30a Abs. 3 Satz 2 AO 1977 (Abgrenzung zu den BFH-Beschlüssen vom 28. Oktober 1997 VII B 40/97, BFH/NV 1998, 424, und vom 25. Juli 2000 VII B 28/99, DStR 2000, 1511). Auch das BfF ist nicht gehindert, über solche Informationen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 EGAHiG Auskunft zu erteilen.
Normenkette
EGAHiG § 2 Abs. 2 Nr. 5, , EGAHiG § 3 Abs. 1 Nr. 1 , AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 2, , AO 1977 § 30a Abs. 3, , AO 1977 § 88, , AO 1977 § 154 Abs. 2, , AO 1977 § 173 Abs. 2, , AO 1977 § 208 Abs. 1 , FGO § 114
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 04.09.2000, I B 17/00
Die Entscheidung betrifft insbesondere die Anwendung des § 30 a Abs. 3 AO , die das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Banken und ihren Kunden schützen soll. Nach dieser Vorschrift dürfen Guthabenkonten oder Depots, bei deren Errichtung eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO vorgenommen wurde, anlässlich der Außenprüfung bei einem Kreditinstitut „nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsmäßigen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden”. Grundsätzlich dürfen sonach Informationen, die im Rahmen einer Außenprüfung bei einem Kreditinstitut gewonnen werden, nicht zu Auswertungen bei den Bankkunden genutzt werden. Kontrollmitteilungen an die für die Bankkunden zuständigen Finanzämter sind grundsätzlich verboten.
Diese Regelung gilt auch für den Auskunftsaustausch mit den Finanzbehörden anderer EG-Mitgliedsstaaten . Zwar kann eine deutsche Finanzbehörde der zuständigen Finanzbehörde eines anderen Mitgliedstaats ohne Ersuchen Auskünfte erteilen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Vermutung rechtfertigen, dass ein steuerlicher Sachverhalt in dem anderen Mitgliedsstaat zu einer Besteuerung oder einer Steuererhöhung führen könnte (Gesetz zur Durchführung der EG-Richtlinie über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten Steuern und der Mehrwertsteuer – EGAHiG – vom 19.12.1985, BGBl I 1985, 2441). Die deutsche Finanzbehörde ist dabei jedoch an die Einschränkungen des § 30 a AO gebunden.
Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Erkenntnisse deutscher Finanzbehörden über ausländische Bankkunden nicht durch eine „ Außenprüfung bei einem Kreditinstitut” gesammelt wurden – wie § 30 a Abs.3 AO für das Verwertungsgebot voraussetzt – sondern anlässlich von Steuerfahndungsmaßnahmen . Im Gegensatz zu einer Außenprüfung obliegt es der Steuerfahndung gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO , unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. Angesichts der Unterschiede zwischen diesen beiden Verfahren sieht es der BFH als gerechtfertigt an, Steuerfahndungsmaßnahmen von den besonderen Einschränkungen des § 30 a Abs. 3 AO zu befreien (ebenso Anwendungserlass zur AO, BMF-Schreiben vom 15.7.1998, BStBl 1998 I S. 630, 645, Nr. 4 zu § 30 a). „Spontanauskünfte” an Finanzbehörden anderer Mitgliedsstaaten über die aufgrund von Steuerfahndungsmaßnahmen bei Banken gewonnenen Erkenntnisse sind demgemäß zulässig.