Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Dr. Matthias Michael Nelde
Zusammenfassung
Seit dem 1.1.2002 ist das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) zur Regelung von Übernahmen börsennotierter Aktiengesellschaften Bestandteil des deutschen Rechts. Verfügt ein Gesellschafter über mindestens 95 % der Aktien einer Aktiengesellschaft, so verleiht ihm das WpÜG das Recht, die restlichen Minderheitsaktionäre gegen Zahlung einer Barabfindung aus dieser Gesellschaft auszuschließen und ihre Aktien auf sich zu übertragen. Da die Minderheitsaktionäre durch diese Maßnahme gegen ihren Willen gezwungen werden, ihr Aktieneigentum abzugeben, spricht man von einem "Herausdrängen" bzw. einem Squeeze-out.
1 Gründe für die Durchführung eines Squeeze-out
Der Ausschluss von Minderheitsaktionären aus der Zielgesellschaft wird häufig als effiziente Variante zur Umsetzung eines Börsenrückzugs (going private) eingesetzt. Deshalb sind die Gründe für einen Börsenrückzug und einen Squeeze-out eng miteinander verbunden.
1.1 Vermeidung von Anfechtungsklagen über die Beschlüsse der Hauptversammlung
Durch den in §§ 243 ff. AktG geregelten Schutz der Minderheitsaktionäre steht jedem stimmberechtigten Aktionär das Recht zu, die Entscheidungen der Hauptversammlung mit einer Klage anzufechten. Werden etwa Strukturveränderungen der Gesellschaft mit fast vollständiger Mehrheit beschlossen, kann ein einzelner Aktionär durch eine Anfechtungsklage die Umsetzung verhindern oder deutlich verzögern.
Der Minderheitenschutz bewirkt, dass Unternehmen in ihrer unternehmerischen Handlungsfähigkeit und Flexibilität eingeschränkt werden und bei möglichen Strukturveränderungen mit Verzögerungen oder gar dem Ausbleiben des Beschlusses rechnen müssen. Durch den Minderheitenausschluss können Unternehmen auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schneller reagieren und Anpassungen sowohl intern als auch extern effizienter handhaben. Dies hat den Vorteil, dass zukünftige gesellschaftliche und strukturelle Änderungen in Unternehmen, wie z. B. die Abspaltung oder ein Spin-off von Teilbereichen, konzerninterne Verschmelzungen oder Abschluss von Unternehmensverträgen, reibungslos umgesetzt werden können.
1.2 Möglichkeit zur Konzernierung
Viele deutsche Aktiengesellschaften sind Teil eines Konzerns, wobei der Streubesitz von Beteiligungen an der Gesellschaft oft unter 5 % liegt. Ein Ausschluss der Minderheitsaktionäre macht es in diesem Fall möglich, die betroffene Aktiengesellschaft vollständig in den Konzern einzugliedern. Die sich daraus ergebenden Vereinfachungen zeigen sich z. B. in der Organisation, Administration und Verwaltung. Weiterhin entfällt die Verpflichtung, bei gesellschaftsrechtlichen Veränderungsmaßnahmen Unternehmensbewertungen und Prüfungen zum Schutz der Aktionäre, wie die Prüfung von Unternehmensverträgen nach § 293b Abs. 1 2. Halbsatz AktG, durchzuführen.
1.3 Einsparung von Aufwendungen für Formalia
In den §§ 121 – 128 AktG sind Formalia zur Hauptversammlung festgelegt. Ihre Einhaltung ist direkt mit einem hohen Organisationsaufwand verbunden. Durch einen Ausschluss von Minderheitsaktionären können Ausgaben sowohl für die Vorbereitung, Einberufung, Durchführung und Nachbereitung der jährlichen Hauptversammlung als auch für die Aufbereitung von Informationen sowieEinladungs- und Dividendenmitteilungen entfallen.
2 Gestaltungsformen von Squeeze-outs
Der Squeeze-out ist für den Kapitalmarkt ein wichtiges Instrument zum Ausschluss von Minderheitsaktionären. Dabei gibt es jedoch nicht nur eine einzige Variante, sondern 3 eigenständige Regeln zum gesetzlich geregelten Zwangsausschluss von Minderheitsaktionären: Die dazu notwendigen gesetzlichen Bestimmungen finden sich im Aktiengesetz, im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz sowie im Umwandlungsgesetz.
Der Squeeze-out kann in folgenden 3 Formen umgesetzt werden:
- aktienrechtlich,
- übernahmerechtlich und
- verschmelzungsrechtlich.
2.1 Aktienrechtlicher Squeeze-out
Die Regelungen zum aktienrechtlichen sind in den §§ 327a bis f AktG verankert. Diese Form des Squeeze-out wurde am 1.1.2002 durch das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen in das Aktiengesetz integriert.
Der Squeeze-out wird durch den Beschluss der Hauptversammlung der Zielgesellschaft zur Übertragung der Aktien ihrer Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär ausgelöst. Der Beschluss erfolgt auf Verlangen des Hauptaktionärs, dem Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von mindestens 95 % des Grundkapitals gehören. Zum Wirksamwerden wird eine Eintragung ins Handelsregister vorausgesetzt. Der Beschluss kann auch gegen den Willen der Minderheitsaktionäre und ohne sachliche Rechtfertigun...