1.1 Insolvenzreife
Der ungeliebte Insolvenzantrag muss gestellt werden, wenn das Unternehmen insolvenzreif ist. Das ist es bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. In die Pflicht genommen werden die Mitglieder des Vertretungsorgans. Sie haften persönlich für die verspätete Insolvenzantragstellung.
Geschäftsleiter müssen "ohne schuldhaftes Zögern",
- spätestens jedoch innerhalb von 3Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und
- 6 (bis zum 31.12.2023 8) Wochen nach Eintritt der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen (§ 15a InsO, § 4a SanInsKG).
Die Antragsfrist wurde für den Tatbestand der Überschuldung mit dem SanInsFoG verdoppelt, auch um den Unternehmen, die Restrukturierungsmaßnahmen in Angriff nehmen, mehr Zeit zu verschaffen. Befristet bis zum 31.12.2023 hat der Gesetzgeber die Antragsfrist im Zuge der Ukrainekrise noch einmal um 2Wochen verlängert.
Bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit kann der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag stellen, muss es aber nicht.
Prognosezeitraum grundsätzlich 12, aktuell 4 Monate
Seit Inkrafttreten des SanInsFoG liegt der Prognosezeitraum bei der Überschuldung grundsätzlich bei 12Monaten (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO). Ukrainekrisebedingt ist sie bis zum 31.12.2023 auf 4Monate verkürzt (§ 4 Abs. 2 SanInsKG).
1.2 Coronabedingte Nachwirkungen
In Bezug auf die Insolvenzantragsstellung gelten keine pandemiebedingten Besonderheiten mehr. Auch die Haftungslockerungen während des Aussetzungszeitraums sind entfallen.
Was noch nachwirkt, sind die milderen Insolvenzanfechtungsregeln, die für Kredite, Darlehen oder Sicherheiten gelten, die neu im Aussetzungszeitraum gewährt bzw. bestellt wurden. Für die Rückzahlung wird angenommen, sofern sie bis zum 30.9.2023 erfolgt, dass sie nicht gläubigerbenachteiligend ist. Das Gleiche gilt für Gesellschafterdarlehen und deren Rückzahlung sowie Forderungen aus wirtschaftlich entsprechenden Rechtsgeschäften, jedoch nicht für deren Besicherung. Solche Zahlungsflüsse werden nicht als sittenwidriger Beitrag zu einer Insolvenzverschleppung gewertet. Für die speziellen Corona-KfW-Kredite gilt dies sogar unbefristet, selbst wenn sie außerhalb des Aussetzungszeitraums gewährt und/oder besichert wurden.
1.3 Sonderregelungen anlässlich der Ukrainekrise
Die Corona-Krise wurde buchstäblich von der Krise, die aus dem Ukrainekrieg resultiert, abgelöst. Aus dem bisherigen "COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz" (COVInsAG) ist das "Gesetz zur vorrübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen" (SanInsKG) geworden. Es ist seit dem 9.11.2022 in Kraft und enthält Erleichterungen für Unternehmen, und zwar im Wesentlichen Folgende:
Unternehmen müssen, um an diesen Privilegien teilzunehmen, einen Bezug zur Ukrainekrise bzw. deren Ursächlichkeit nicht extra darlegen.
Diese Regelungen sind derzeit bis zum 31.12.2023 befristet.
1.4 Sanierungsinstrumente der Insolvenzordnung
Eingebettet in die InsO sind das Insolvenzplanverfahren und die Eigenverwaltung. Bei diesen Sanierungsversuchen behält das angeschlagene Unternehmen das Zepter in der Hand, steht aber unter der Aufsicht des Sachwalters und ist an die Verfahrensvorgaben der Insolvenzordnungen gebunden.
Das ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, 2012) stand ebenfalls im Zeichen einer Förderung von Sanierungen innerhalb des Insolvenzverfahrens. Mit ihm wurde beispielsweise der Zugang zur Eigenverwaltung erleichtert (§ 270a InsO) und das Schutzschirmverfahren geschaffen (§ 270b InsO).
Das StaRUG setzt früher, außergerichtlich an und lässt dem Unternehmen – ohne das Korsett der InsO – sehr viel mehr Freiheiten.