Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
2.12.1 Finanzielle Eingliederung und Umwandlungen
Die Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft erfordert u.a. die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 KStG). Dem Organträger muss dabei die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft ununterbrochen vom Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft zustehen. Wird ein Organträger auf ein anderes Unternehmen verschmolzen, tritt ertragsteuerlich der übernehmende Rechtsträger in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein. Dies gilt grundsätzlich auch für die Organträgereigenschaft. Unterschiedlich betrachtet wurden bisher Fälle, in denen der steuerliche Übertragungszeitpunkt nicht mit dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zusammenfällt. Dazu äußerte sich der BFH in vier Urteilen (BFH, Urteile v. 11. 7.2023, I R 45/20, I R 36/20 und I R 21/20 zur Verschmelzung des Organträgers sowie I R 40/20 zum Anteilstausch).
Laut BFH tritt der übernehmende Rechtsträger als ("neuer") Organträger auch dann in die bereits beim übertragenden Rechtsträger (als "alter" Organträger) erfüllte Voraussetzung einer finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft ein, wenn die Umwandlung steuerlich nicht bis zum Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen wird (oder im Falle des Anteilstauschs werden konnte). Insoweit widerspricht der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung Umwandlungssteuererlass 2011 v. 11.11.2011 (BStBl 2011 I S. 1314, Rz. Org. 02). Der BFH führt damit seine sog. Fußstapfentheorie fort.
Die Auffassung des BMF ist auch im derzeit noch im Entwurf vorliegenden überarbeiteten neuen Umwandlungssteuererlass enthalten (ebenfalls Rz. Org. 02; vgl. Kapitel Rückblick Tz. 2.5.5). Es bleibt nun abzuwarten, ob die Finanzverwaltung im Zuge der Finalisierung des Erlasses noch auf diese Rechtsprechung des BFH reagiert.
In seinem Urteil I R 36/20 (Fall einer Aufwärtsverschmelzung eines Organträgers) äußert sich der BFH auch zum Umfang der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 14 Abs. 5 KStG. Diese umfasse neben dem zuzurechnenden Einkommen zumindest "incidenter" auch den Status des (Nicht-/) Bestehens einer Organschaft. Außerdem führt der BFH aus, dass in Verschmelzungsfällen, in denen während der fünfjährigen Mindestvertragslaufzeit der Ergebnisabführungsvertrag (EAV) erlischt, das Erlöschen in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG unschädlich sei. Die Konfusion stelle einen wichtigen Grund für die Nichteinhaltung der Mindestvertragslaufzeit dar.
2.12.2 Tatsächliche Durchführung eines Ergebnisabführungsvertrags
Die Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft erfordert u.a. auch einen zivilrechtlich wirksamen, auf mindestens fünf (Zeit-)Jahre abgeschlossenen Ergebnisabführungsvertrag, der während seiner gesamten Geltungsdauer auch tatsächlich durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG).
Laut BFH ist ein Ergebnisabführungsvertrag nicht tatsächlich durchgeführt, wenn der gegen die Organträgerin bestehende Anspruch auf Verlustübernahme in der Bilanz der Organgesellschaft nicht ausgewiesen wird (BFH, Urteil v. 2.11.2022, I R 37/19, BStBl 2023 II S. 409). Dies gelte auch dann, wenn die Zahlung des Verlustausgleichsbetrags tatsächlich erfolgt. Laut BFH muss der Ergebnisabführungsvertrag während der gesamten Geltungsdauer tatsächlich "gelebt" werden, d.h. die entsprechenden Forderungen und Verbindlichkeiten müssen auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden.
Das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Durchführung kann laut BFH auch nicht durch einen vorläufigen Jahresabschluss erfüllt werden (BFH, Urteil v. 2.11.2022, I R 29/19, BStBl 2023 II S. 405). Vielmehr komme es auf das Ergebnis an, das bei zutreffender Anwendung der handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze in einem endgültigen Jahresabschluss auszuweisen wäre. Dies gelte auch für den Fall der Insolvenz.
In beiden Fällen wurde der Ergebnisabführungsvertrag nicht tatsächlich durchgeführt, da der Verlustausgleichsanspruch gar nicht (I R 37/19) bzw. die (fehlerhafte) Ergebnisabführung in einem lediglich vorläufigen Jahresabschluss (I R 29/19) gebucht worden war. Die Nichtdurchführung konnte laut BFH auch nicht durch § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG geheilt werden, da diese Regelung nicht das Nichtbilanzieren der Ausgleichsansprüche selbst (I R 37/19) bzw. einen nur vorläufigen Jahresabschluss (I R 29/19) erfasse.
Die Nichtdurchführung des Ergebnisabführungsvertrags innerhalb der Mindestvertragslaufzeit führte daher insgesamt zu einer rückwirkenden Nichtanerkennung der Organschaft seit ihrer Begründung. Ob auch eine Nichtdurchführung des Ergebnisabführ...