Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
2.6.1 Finale Verluste einer EU-Freistellungsbetriebsstätte
Laut EuGH steht die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit dem Untergang der sog. "finalen" Verluste von EU-Freistellungsbetriebsstätten nicht entgegen (EuGH, Urteil v. 22.9.2022, C-538/20, Rs. W). Dem folgte der BFH und verneinte die Berücksichtigung finaler Verluste einer Betriebsstätte bei der Körperschaft- und der Gewerbesteuer (BFH, Urteil v. 22.2.2023, I R 35/22 (I R 32/18), BStBl 2023 II S. 761). Im Fall der auf einem DBA beruhenden Freistellung sei strikt die sog. Symmetriethese einzuhalten. Der abkommensrechtliche Begriff der Betriebsstättengewinne beziehe sich auf einen Nettobetrag. Somit seien auch Betriebsstättenverluste nicht in die Bemessungsgrundlage der inländischen Steuer einzubeziehen.
Die Folgeentscheidung wie auch das EuGH-Urteil in der Rs. W bestätigten die Rechtsprechung in der Rs. Timac Agro (EuGH, Urteil v. 17.12.2015, C-388/14, BStBl 2016 II S. 362). In diesen Fällen beruht der "symmetrische" Ausschluss der Berücksichtigung der Betriebsstättengewinne und -verluste auf einer bilateralen Vereinbarung (DBA) mit dem Betriebsstättenstaat. Abzugrenzen sind diese Fälle vom EuGH-Urteil v. 12.6.2018 in der Rs. Bevola/Trock (C-650/16, BFH/NV 2018 S. 927), in dem ein unionsrechtlich anzuerkennender finaler Verlust angenommen wurde, da hier der Ausschluss des Besteuerungsrechts nicht auf einem DBA beruht, sondern auf einer unilateralen Entscheidung des nationalen Steuerrechts.
Auch hinsichtlich der Gewerbesteuer dürfen diese Verluste laut BFH nicht steuermindernd geltend gemacht werden, da Ausgangspunkt für die Gewerbesteuer die einkommens- und körperschaftsteuerliche Gewinnermittlung sei (§ 7 Satz 1 GewStG). Daher beruhe die Nichtberücksichtigung der "finalen" Verluste bei der Gewerbesteuer nicht auf einer Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG, sondern allein auf der abkommensrechtlichen Freistellung.
Mit einem weiteren Urteil v. 12.4.2023 (I R 44/22 (I R 49/19, I R 17/16), BStBl 2023 II S. 974) bestätigt der BFH diese Rechtsprechung auch für den Fall einer italienischen Freistellungsbetriebsstätte. Dabei äußert sich der BFH auch zu den Voraussetzungen einer qualifizierten Rückfallklausel. Er bestätigte die grundsätzliche Anwendbarkeit der Rückfallklausel auch auf Verluste und stellte klar, dass eine effektive Besteuerung (jedenfalls) dann vorliege, wenn die Verluste in die Steuerbemessungsgrundlage im Quellenstaat einbezogen würden und mit positiven Einkünften eines anderen Veranlagungszeitraums ausgeglichen werden könnten. Nicht erforderlich sei dagegen, dass es zu irgendeinem Zeitpunkt tatsächlich zu einem Verlustausgleich komme. Im konkreten Fall waren jedoch die Voraussetzungen der Rückfallklausel nicht erfüllt. D.h. das Besteuerungsrecht war nicht an Deutschland zurückgefallen und es blieb bei dem auf einem DBA beruhenden symmetrischen Besteuerungsverzicht Deutschlands mit der Folge der Nichtberücksichtigung der finalen Verluste.
2.6.2 Anrechnung ausländischer Quellensteuer
Die Höhe der anzurechnenden ausländischen Quellensteuer nach § 34c EStG hängt u.a. maßgeblich davon ab, in welcher Höhe die ausländischen Einkünfte durch wirtschaftlich im Zusammenhang stehende Aufwendungen gemindert werden. Die Aufwendungen erfordern dabei laut BFH einen spezifischen Veranlassungsbezug zu den Einnahmen, der den Abzug von Aufwendungen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht begrenzt. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Aufwendungen mit Lizenzeinnahmen bestehe in sachlicher Hinsicht nur, soweit die Aufwendungen auf konkreten Lizenzeinnahmen und nicht allgemein auf Einkünften oder einer Einkunftsart bzw. Tätigkeitsart im Ausland beruhen. In zeitlicher Hinsicht sei der Anrechnungshöchstbetrag streng periodenbezogen zu ermitteln (BFH, Urteil v. 17.8.2022, I R 14/19, BFH/NV 2023 S. 293).
Im konkreten Fall überließ eine deutsche GmbH ihr Entwicklungsergebnis einer chinesischen Tochtergesellschaft zur Nutzung für die Produktion. Die dafür geleisteten Lizenzzahlungen unterlagen in China dem Quellensteuerabzug. Im selben Veranlagungszeitraum fielen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Lizenzeinnahmen dieses Veranlagungszeitraums stehende Betriebsausgaben an. Zudem entstanden für laufende noch nicht abgeschlossene Entwicklungsarbeiten, die in späteren Jahren zu Lizenzvergaben und Lizenzeinnahmen geführt haben, weitere Aufwendungen. Entgegen der Ansicht des Finanzamts minderten die Aufwendungen aus dem Forschungsaufwand für künftige Entwicklungen laut BFH nicht den Höchstbetrag, so dass eine Anrechnung der Quellensteuer auf die deutsche Körperschaftsteuer erfolgen konnte.
2.6.3 Motivtest im Sinne des § 50d Abs. 3 EStG
Nach dem durch das AbzStEntModG v. 2.6.2021 (BGBl 2021 I S. 1259) neu gefassten § 50d Abs. 3 EStG greift die Verneinung des Entlastungsanspruchs nach Satz 1 nicht, soweit die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nachweist, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist (Motivtest des § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG). Das FG Köln sah in seinem Urteil v. 21.6.2023 (2 K 1315/13) den neuen Motivtest (sog. principal-purpose-Te...