Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
In dem Fall, der dem BFH-Urteil v. 22.2.2023 (I R 27/20, BStBl 2023 II S. 840) zugrunde liegt, führte eine Kapitalgesellschaft ein Verrechnungskonto eines bei ihr angestellten Gesellschafter-Geschäftsführers. In Höhe der die Gehälter übersteigenden Sollbuchungen entstanden Forderungen der Gesellschaft. Aufgrund der wirtschaftlich schlechten Situation des Gesellschafters ordnete das Finanzamt den Forderungen Darlehenscharakter zu. Mangels Verzinsung bejahte es eine vGA, die es unter Ansatz eines fremdüblichen Zinssatzes von 4,5 % unter Anwendung des Margenteilungsgrundsatzes bewertete. Hierfür ging das Finanzamt von einer (geringen) Bandbreite von banküblichen Habenzinssätzen aus, die nur wenig über der 0 %-Marke lagen. Als bankübliche Sollzinssätze wurden revolvierende Kredite und Überziehungskredite an Privathaushalte herangezogen, die sich bei etwas über 9 % bewegten. Die Gesellschaft hatte selbst keine Kredite aufgenommen.
Der BFH bestätigte die Anwendung des Margenteilungsgrundsatzes. Sofern keine anderen Anhaltspunkte für die regelmäßig gebotene Schätzung der fremdüblichen Zinsen erkennbar sind, ist für den BFH nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Sollzinsen (Obergrenze) und Habenzinsen (Untergrenze) teilen. Die Teilung der Marge selbst beruhe auf einer Beobachtung des Wirtschaftslebens und damit auf einem Erfahrungssatz, den der Senat als fremdübliches Verhalten auch für das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter annimmt.
Einen Widerspruch zu seiner jüngeren Rechtsprechung, in dem der Preisvergleich als vorrangige Methode zur Ermittlung fremdüblicher Zinsen gesehen wurde, die das Kreditrisiko des Darlehensnehmers widerspiegeln, sah der BFH nicht. Die Situation des vorliegenden Falles sei gänzlich anders gelagert und durch die private Gelegenheitskreditvergabe durch eine personalistisch strukturierte Gesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter und das Fehlen anderer Anhaltspunkte gekennzeichnet.
Der BFH verneint eine starre Orientierung an den Habenzinsen als alleinigen Maßstab für die Fremdvergleichsprüfung. Zum einen betrieb die Kapitalgesellschaft keine Bankgeschäfte, und habe daher auch nicht den damit verbundenen ("einzupreisenden" banküblichen) Aufwand. Zum anderen komme dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zu. Im Streitfall wurde das Kapital ohne hinreichende Besicherung an den Gesellschafter-Geschäftsführer ungeachtet dessen zweifelhafter Bonität überlassen. Eine Geldanlage bei einer inländischen Geschäftsbank wäre dagegen typischerweise nicht mit einem finanziellen Risiko verbunden gewesen. Aus diesen Gründen habe sich die Schätzung am Haben- und Sollzinssatz zu orientieren und es sei ein sich zwischen Haben- und Sollzinssatz bewegender Zinssatz heranzuziehen.
Der BFH wies der Darlehensgewährung den Charakter eines unbesicherten Privatkredits mit Ausfallrisiko zu, so dass er das Abstellen auf Überziehungskreditzinssätze für private Haushalte nicht beanstandete. Auch betonte er die besondere Bedeutung der fehlenden Besicherung für das Vorliegen einer vGA und für die Schätzung des anzuwendenden Zinssatzes.