Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
2.10.1 Finanzielle Eingliederung
Die Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft i.S.d. § 14 Satz 1 Nr. 1 KStG erfordert u.a. die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger. Der Organträger muss über die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft verfügen, und zwar ab dem Beginn desjenigen Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft, für welches die Organschaft erstmals greifen soll. Für diese Stimmrechtsmehrheit sind laut BFH prinzipiell die gesellschaftsrechtlichen Regelungen maßgeblich (BFH, Urteil v. 9.8.2023, I R 50/20, BStBl 2024 II S. 131).
Dabei wird laut BFH die Stimmrechtsmehrheit grundsätzlich nicht durch schuldrechtliche Vereinbarungen über Stimmrechte (etwa Stimmbindungsverträge und Stimmrechtsvollmachten) beeinflusst, sofern mit diesen kein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen verbunden ist.
Grundsätzlich reicht nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen (§ 133 Abs. 1 AktG, § 47 Abs. 1 GmbHG) eine einfache Mehrheit für die erforderliche "Stimmrechtsmehrheit" aus. Sieht die Satzung jedoch davon abweichend eine höhere (qualifizierte) Mehrheit vor, muss der Organträger laut BFH über diese Mehrheit auch tatsächlich verfügen. Nur so könne der Organträger seinen Geschäftsleitungswillen in der Organgesellschaft durchsetzen. Für den BFH gilt dies jedenfalls explizit für solche Fälle, in denen laut Gesellschaftsvertrag generell eine qualifizierte Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse vorgesehen ist.
Der BFH ließ damit die Frage offen, ob für die finanzielle Eingliederung auch dann eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, wenn diese nur für einen Teil der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bestimmt ist. Ebenfalls offen blieb, ob in diesem Fall wegen der besonderen Organschaftsrelevanz allein auf die Regelungen zu den die Ergebnisabführung betreffenden Beschlüssen oder stattdessen auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen ist. Der BFH führte dabei aus, dass jedenfalls satzungsmäßige qualifizierte Mehrheitserfordernisse für außerordentliche Beschlüsse (wie z.B. Satzungsänderungen oder Umwandlungen) grundsätzlich keine Rolle spielen dürften.
2.10.2 Organschaftliche Mehr- und Minderabführungen
Organschaftliche Mehr- oder Minderabführungen liegen nach § 14 Abs. 4 Satz 6 KStG insbesondere dann vor, wenn der an den Organträger abgeführte Gewinn vom Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht und diese Abweichung in organschaftlicher Zeit verursacht ist.
Bis zur Einführung der Einlagelösung durch das KöMoG v. 25.6.2021 (BGBl 2021 I S. 2050) zogen diese Mehr- bzw. Minderabführungen die Bildung eines besonderen aktiven bzw. passiven Ausgleichspostens nach sich. Nach dem Wechsel zur sog. Einlagelösung werden sie nun bei gleich gebliebenen Voraussetzungen als Einlagenrückgewähr bzw. Einlagen behandelt.
Das BMF stellt für das Vorliegen von Mehr- bzw. Minderabführungen grundsätzlich auf eine (rein rechnerische) Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanzergebnis ab und lässt dabei außerbilanzielle Effekte im Allgemeinen außen vor (vgl. BMF, Schreiben v. 15.7.2013, BStBl 2013 I S. 921). Laut BFH ist dagegen der Tatbestand der organschaftlichen Mehr- oder Minderabführung und ihrer bilanziellen Konsequenzen allein am Grundanliegen des Gesetzgebers auszurichten, die Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge beim Organträger sicherzustellen. So verneint der BFH die Bildung eines passiven Ausgleichspostens für organschaftliche Mehrabführungen, wenn die auf die Organgesellschaft entfallenden Beteiligungsverluste aus einem KG-Anteil aufgrund außerbilanzieller Zurechnung gemäß § 15a EStG neutralisiert werden und damit das dem Organträger steuerlich zuzurechnende Einkommen nicht mindern (BFH, Urteil v. 29.8.2012, I R 65/11, BStBl 2013 II S. 555). In gleichen Fallkonstellationen folgt das BMF dem BFH; diese Konstellation wurde als Ausnahme in das BMF-Schreiben v. 15.7.2013 aufgenommen. In einem anderen Fall entschied der BFH, dass ein handelsrechtlich erfolgswirksam verbuchter Ertragszuschuss eine organschaftliche Mehrabführung darstelle. Da sich durch die sofortige Rückführung des Zuschusses über den Ergebnisabführungsvertrag der Beteiligungswert an der Organgesellschaft trotz der parallel erfolgten verdeckten Einlage im Ergebnis nicht erhöht habe, müsse nach dem Prinzip der Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge ein passiver Ausgleichsposten gebildet werden, um der fehlenden Werterhöhung Rechnung zu tragen (BFH, Urteil v. 15.3.2017, I R 67/15, BStBl 2024 II S. 571). Auch dieses BFH-Urteil nimmt das BMF nun mit ergänzendem BMF-Schreiben v. 4.7.2024 (BStBl 2024 I S. 1101) als Spezialfall in sein ursprüngliches BMF-Schreiben auf.
In dem Ergänzungsschreiben v. 4.7.2024 führt das BMF ausdrücklich aus, dass es seine Grundsätze zur Erfassung als Mehr-/Minderabführungen i.S.d. § 14 Abs. 4 Satz 6 KStG auch nach dem Übergang zur Einlagelösung anwenden will.
2.10.3 Negative Einkünfte bei Organschaft
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG blieben bisher negative Einkünfte des Organträgers oder der Organgesellschaft bei der inländischen Besteueru...