Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
2.11.1 Betriebsstätten und Ort der Geschäftsleitung
Mit BMF-Schreiben v. 5.2.2024 (BStBl 2024 I S. 177) nimmt das BMF u.a. weitere Ausführungen zur Frage des Vorliegens einer Betriebsstätte in den Anwendungserlass zur AO (AEAO zu § 12) auf. Hinsichtlich der für das Vorliegen einer Betriebsstätte u.a. erforderlichen (nicht nur vorübergehenden) Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung arbeitete es u.a. das BFH-Urteil v. 23.3.2022 (III R 35/20, BStBl 2022 II S. 844) zur Beurteilung der Einschaltung einer Managementgesellschaft ein. Danach reicht eine (auch umfassende) Übertragung der Aufgaben eines Unternehmens auf einen selbständig tätigen Dritten grundsätzlich (noch) nicht aus, um in dessen Räumen eine Betriebsstätte zu begründen. Eine Betriebsstätte könne allerdings bei bestimmten nachhaltigen Tätigkeiten vor Ort (etwa Überwachung, insbesondere bei Personenidentität der Leistungsorgane von Auftraggeber und Auftragnehmer) begründet werden. Hinsichtlich der Ausführungen zur Verfügungsbefugnis arbeitet das BMF auch den BFH-Beschluss v. 18.2.2021 zur Gewerbesteuerzerlegung bei Energieversorgungsunternehmen (III R 8/19, BStBl 2021 II S. 627) ein.
Ebenso wurden spezifische Regelungen für Tätigkeiten von Arbeitnehmern im Homeoffice aufgenommen. Danach begründen Homeoffice-Tätigkeiten in der Regel keine Betriebsstätte, da der Arbeitgeber typischerweise keine ausreichende Verfügungsgewalt über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers hat. Dabei nimmt das BMF eine Abgrenzung zu Fällen vor, in denen ein Arbeitnehmer Leitungsfunktionen ausübt und diese eine Verfügungsmacht vermitteln.
Des Weiteren wurden Regelungen zur Beurteilung der Geschäftsleitung in den AEAO zu § 10 AO aufgenommen. Es wird erläutert, wie der Begriff des "Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung" zu verstehen ist. Auch in dem Zusammenhang verweist das BMF auf das o.g. BFH-Urteil zur Einschaltung einer Managementgesellschaft.
Neben den Ausführungen zur Betriebsstätte wurden mit diesem BMF-Schreiben weitere Anpassungen im AEAO vorgenommen, u.a. Ergänzungen und Anpassungen im Bereich der umsatzsteuerlichen Organschaft (AEAO zu § 73 AO) und zur Gebührenbemessung bei Rücknahme von Anträgen auf verbindliche Auskunft (AEAO zu § 89 AO).
2.11.2 Beweiskraft der Buchführung
Zu formellen Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung äußert sich das BMF mit Schreiben v. 11.3.2024 (BStBl 2024 I S. 374) und passt den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 158 AO (Vermutung der sachlichen Richtigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen) an. Die Vermutung der Richtigkeit der Buchführung verliert nach § 158 Abs. 2 Nr. 2 AO ihre Wirksamkeit, soweit der Steuerpflichtige der Finanzverwaltung aufbewahrungspflichtige digitale Unterlagen und die Strukturinformationen nicht nach den Vorgaben der einheitlichen digitalen Schnittstellen zur Verfügung stellt. Laut BMF ist dies dann der Fall, wenn die digitalen Unterlagen nicht in dem geforderten Datenformat vorgelegt werden.
Kann die Buchführung in diesen Fällen ganz oder teilweise nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, können die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden (§ 162 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AO). Dabei ist das Buchführungsergebnis laut BMF nicht zu übernehmen, soweit die Beanstandungen reichen. Eine Vollschätzung kommt laut BMF aber nur dann in Betracht, wenn sich die Buchführung in wesentlichen Teilen als unbrauchbar erweist. Eine Schätzung ist laut BMF auch dann zulässig, soweit aufbewahrungspflichtige digitale Unterlagen und die Strukturinformationen nicht in dem geforderten Datenformat vorgelegt werden.
Mit weiteren Schreiben v. 11.3.2024 aktualisierte das BMF sein Schreiben zu den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD).
2.11.3 Höhere Schwellenwerte für Aufbewahrungspflichten
Steuerpflichtige, die Überschusseinkünfte von bislang mehr als 500.000 EUR im Kalenderjahr erzielen, haben die Aufzeichnungen und Unterlagen über die den Überschusseinkünften zu Grunde liegenden Einnahmen und Werbungskosten 6 Jahre aufzubewahren. In § 147a Abs. 1 AO wurde der für die Aufbewahrungspflicht für Überschusseinkünfte maßgebliche Schwellenwert durch das Wachstumschancengesetz v. 27.3.2024 (BGBl 2024 I Nr. 108) auf 750.000 EUR angehoben. Der erhöhte Schwellenwert greift grundsätzlich mit Wirkung ab dem VZ 2024, besondere Übergangsregelungen bis 1.1.2027 sind in Art. 97 § 39 EGAO vorgesehen.
§ 40 EGAO führt aus, dass bestehende Aufbewahrungsfristen, die bereits bis einschließlich VZ 2026 entstanden sind, weiterhin fortgelten, auch wenn die Einkunftsgrenze ab dem VZ 2027 nicht mehr überschritten wird.
2.11.4 Verkürzung von Aufbewahrungsfristen
Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege werden durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) v. 23.10.2024 (BGBl 2024 I Nr. 323) von zehn auf acht Jahre verkürzt (§ 147 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AO sowie § 257 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 4 HGB). Angepasst an diese Verkürzung wird auch die umsatzsteuerliche Frist zur Aufbewahrung von Rechnungen (§ 14b Abs. 1 Satz ...