Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
2.6.1 Freistellungsverfahren bei Vergütungen für Rechteüberlassungen
Für nach dem 31.12.2023 zufließende Vergütungen für Rechteüberlassungen wurde mit dem Wachstumschancengesetz v. 27.3.2024 (BGBl 2024 I Nr. 108) die Freigrenze für den Quellensteuereinbehalt von 5.000 EUR auf 10.000 EUR erhöht (§ 50c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 52 Abs. 47a Satz 2 EStG).
Mit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz v. 2.6.2021 (BGBl 2021 I S. 1259) normierte der Gesetzgeber im Jahr 2021 die Freistellung bei Vergütungen für Rechteüberlassungen gesetzlich in § 50c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG. Danach ist für Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen i.S.d. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG (Rechteüberlassung und vergleichbare Sachverhalte) unter gewissen Voraussetzungen vom Steuerabzug abzusehen, wenn die Vergütung zuzüglich der dem beschränkt Steuerpflichtigen in demselben Kalenderjahr vom Schuldner bereits zugeflossenen Vergütungen die Freigrenze nicht übersteigt. In erster Linie erfasst die Vorschrift in der Praxis Vergütungsschuldner mit wechselnden, gering vergüteten Gläubigern (z. B. Zahlungen von Verlagen oder Rundfunksendern für Bildrechteüberlassung).
2.6.2 Neuregelungen für Joint Audits
Mit dem Wachstumschancengesetz v. 27.3.2024 (BGBl 2024 I Nr. 108) setzte der Gesetzgeber im Bereich der Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den EU-Mitgliedstaaten die Vorgaben der DAC7-Richtlinie (Änderung der EU-Amtshilferichtlinie) zu sog. Joint Audits ("gemeinsame Prüfungen") in einem neu eingefügten § 12a EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) national um. Zudem wurde die bereits bestehende Regelung des § 12 EUAHiG über die gleichzeitige Prüfung angepasst, die im Jahr 2013 mit dem Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz eingeführt wurde. Bis zu dessen Inkrafttreten bestand keine gesetzliche Grundlage für derartige praktizierte bi- und multilaterale Außenprüfungen. Mit einem neu eingefügten § 117e AO hat der Gesetzgeber auch einen Rechtsrahmen für die Finanzbehörden zur Inanspruchnahme und Leistung besonderer Formen der Amtshilfe (u.a. gleichzeitige und gemeinsame Prüfungen) im Verhältnis zu Drittstaaten geschaffen.
2.6.3 Vorabverständigungsverfahren
Mit Schreiben v. 26.6.2024 (BStBl 2024 I S. 1065) ändert das BMF den AEAO und äußert sich darin erstmals zu der mit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) v. 2.6.2021 (BGBl 2021 I S. 1259) eingeführten Regelung für bi- und multilaterale Vorabverständigungsverfahren (§ 89a AO).
Mit dem AbzStEntModG hat der Gesetzgeber im Jahr 2021 mit § 89a AO erstmalig eine eigenständige Regelung für bi- und multilaterale Vorabverständigungsverfahren (APA-Verfahren) geschaffen. Demnach kann zur Vermeidung der Doppelbesteuerung das BZSt auf Antrag eines Abkommensberechtigten (Antragsteller) ein zwischenstaatliches Verfahren über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalten für einen bestimmten Geltungszeitraum, der in der Regel fünf Jahre nicht überschreiten soll, mit der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates einleiten (Vorabverständigungsverfahren, sog. Advance Pricing Agreement; APA-Verfahren). Im Gegensatz zur früheren gesetzlichen Regelung (vgl. § 178a AO a.F.) sind solche Vorabverständigungsverfahren nicht mehr auf Fragen der Einkunftsabgrenzung i.S.d. Art. 9 bzw. 7 DBA-MA beschränkt, sondern können jegliche Fragen des Doppelbesteuerungsabkommens umfassen, z.B. Fragen im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerbesteuerung nach Art. 19 DBA-MA für Zwecke des Lohnsteuerabzugs durch den Arbeitgeber, sofern in diesen Fällen nach dem Recht anderer beteiligter Staaten Vorabverständigungsverfahren möglich sind.
Der neue AEAO enthält nun u.a. Ausführungen zur Eröffnung des Vorabverständigungsverfahrens, zum Inhalt und zum Umfang des Antrags, zum Abschluss und zur Beendigung des Verfahrens sowie Ausführungen zur Bindungswirkung, zum Geltungszeitraum und zu den Gebühren. Dabei entsprechen die Regelungen weitestgehend der bisherigen Verwaltungspraxis.
Der neue AEAO gilt erstmals – im Einklang mit der gesetzlichen Anwendungsregelung für § 89a AO – für alle APA-Verfahren und verbindliche Auskünfte, deren Anträge nach dem 8.6.2021 eingegangen sind. Das Merkblatt für bi- oder multilaterale Vorabverständigungsverfahren vom 5.10.2006 wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben und ist nur noch auf Anträge anzuwenden, die bis zum 8.6.2021 eingegangen sind.
2.6.4 Internationales Risikobewertungsverfahren
Mit dem neuen § 89b AO wurde mit dem Wachstumschancengesetz v. 27.3.2024 (BGBl 2024 I Nr. 108) erstmals eine Regelung für ein internationales Risikobewertungsverfahren gesetzlich normiert. Weist der im Rahmen eines internationalen Risikobewertungsverfahrens untersuchte Sachverhalt eines Steuerpflichtigen ein geringes Risiko auf, kann die Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen im Rahmen einer Außenprüfung unterbleiben (§ 89b Abs. 1 AO). Ein internationales Risikobewertungsverfahren (definiert in § 89b Abs. 2 AO) kann auf schriftlichen ...