Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
2.9.1 Aktualisierung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Mit BMF-Schreiben v. 22.12.2023 (BStBl 2023 I S. 2248) arbeitete das BMF u.a. im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlichte Rechtsprechung des BFH in den UStAE ein, darunter BFH-Urteile zum Vorsteuerabzug für Betriebsveranstaltungen (Urteil v. 10.5.2023, V R 16/21, BStBl 2023 II S. 1023) und von geschäftsleitenden Holdinggesellschaften (BFH, Urteil v. 15.2.2023, XI R 24/22 (XI R 22/18), BStBl 2023 II S. 940). Auch Ausführungen als Reaktion auf das EuGH-Urteil zur Abgabe von Strom an Ladesäulen (EuGH, Urteil v. 20.4.2023, C-282/22) wurden aufgenommen.
Das BMF führt aus, dass mit dem Schreiben lediglich redaktionelle Änderungen des UStAE ohne materiell rechtliche Auswirkungen einhergehen, so dass es auch keiner Anwendungsregelung bedürfe.
2.9.2 Anwendungsfragen bei Nullsteuersatz für Photovoltaikanlagen
Mit dem Jahressteuergesetz 2022 (BGBl 2022 I S. 2294) wurde neben ertragsteuerlichen Erleichterungen (vgl. § 3 Nr. 72 EStG) auch ein umsatzsteuerlicher Nullsteuersatz für bestimmte Photovoltaikanlagen eingeführt (§ 12 Abs. 3 UStG). In Ergänzung zum BMF-Schreiben v. 27.2.2023 (BStBl 2023 I S. 351) hat das BMF mit Schreiben v. 30.11.2023 (BStBl 2023 I S. 2085) weitere Ausführungen zu Anwendungsfragen in den UStAE aufgenommen. Dabei äußert sich das BMF u.a. zur Entnahme der PV-Anlage (u.a. Aufnahme einer Ausnahmeregelung für bis zum 11.1.2024 erklärte Entnahmen) und zu den Folgen einer Entnahme bei vorher erfolgter Option zur Regelbesteuerung (grundsätzliche fünfjährige Bindungsfrist nach § 19 Abs. 2 UStG an die Regelbesteuerung). Weitere Erläuterungen betreffen z.B. Solar-Carports (vgl. Abschn. 12.18. Abs. 7 UStAE n.F.).
Die Ausführungen des BMF sind grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden. Für bestimmte Fälle gewährt das BMF jedoch auch Nichtbeanstandungsregelungen. So kann hinsichtlich der isolierten Erweiterung bzw. Erneuerung eines Zählerschranks im Zusammenhang mit der Installation einer PV-Anlage i.S.v. § 12 Abs. 3 UStG für vor dem 1.1.2024 ausgeführte Leistungen (unter bestimmten Voraussetzungen) der Regelsteuersatz gem. UStAE in der bis zum 29.11.2023 geltenden Fassung angewendet werden. Vgl. zu den ertragsteuerlichen Erleichterungen u.a. das Anwendungsschreiben v. 17.7.2023 (BStBl 2023 I S. 1494).
2.9.3 Behandlung von Entnahmen
Gibt ein Unternehmer einen Gegenstand unentgeltlich ab oder verwendet er Personal oder einen unternehmerischen Gegenstand für Zwecke außerhalb des Unternehmens, unterliegt dies grundsätzlich (unter weiteren Voraussetzungen) der Umsatzsteuer (§ 3 Abs. 1b, Abs. 9a UStG). Die Bemessungsgrundlage für unentgeltlich zugewendete Gegenstände ergibt sich entweder aus dem Einkaufspreis zzgl. Nebenkosten oder, in Ermangelung eines solchen, aus den Selbstkosten (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG). Laut EuGH (Urteil v. 25.4.2024, C-207/23) ist die unentgeltliche Abgabe auch dann zu versteuern, wenn der Empfänger diese (im konkreten Fall abgegebene Wärme) seinerseits für unternehmerische und zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke verwendet (etwa für umsatzsteuerpflichtige Wärmelieferungen an Dritte). Dem folgt auch der BFH und verneint eine einschränkende Auslegung unentgeltlicher Wertabgaben (BFH, Urteil v. 4.9.2024, XI R 15/24 (XI R 17/20). Zur Bemessungsgrundlage, den maßgeblichen Selbstkostenpreis, sind dabei laut BFH nicht nur die unmittelbaren Herstellungs- und Erzeugungskosten mit einzubeziehen, sondern auch mittelbare Kosten, wie Finanzierungsaufwendungen. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um vorsteuerbelastete Kosten handele oder nicht.
Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf die BFH- und EuGH-Rechtsprechung reagieren wird. Betroffene Unternehmer sollten prüfen, ob nicht gegebenenfalls die Vereinbarung eines (geringen) Entgelts möglich und sinnvoll ist. Anders zu behandeln ist der Fall möglicherweise, wenn der Unternehmer (bspw. aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften) verpflichtet ist, die Abwärme nicht ungenutzt entweichen zu lassen und daher abgeben muss.
2.9.4 Unentgeltliche Zuwendungen und Vorsteuerabzug
Bezieht ein Unternehmer eine Eingangsleistung, um sie unentgeltlich an einen Dritten abzugeben, ist der Vorsteuerabzug grundsätzlich ausgeschlossen. Das galt bisher regelmäßig auch in Fällen, in denen der Unternehmer die unentgeltliche Zuwendung tätigte, um zum Vorsteuerabzug berechtigende Ausgangsumsätze zu ermöglichen. In Reaktion auf das EuGH-Urteil v. 16.9.2020 (C-528/19, Rs. Mitteldeutsche Hartstein-Industrie) schränkte der BFH seine bisherige Rechtsprechung ein (BFH, Urteil v. 16.12.2020, XI R 26/20 (XI R 28/17), BStBl 2024 II S. 146). Diese geänderte BFH-Rechtsprechung arbeitete nun auch das BMF in seinen UStAE ein (BMF, Schreiben v. 24.1.2024, BStBl 2024 I S. 213).
Laut BMF bleibt der Vorsteuerabzug auf eine Eingangsleistung, die an einen Dritten unentgeltlich abgegeben wird, erhalten, wenn
- die Eingangsleistung zugleich die eigene unternehmerische Tätigkeit ermöglicht,
- die Eingangsleistung nicht über das hinausgeht, was erforderlich bzw. unerlässlich ist, um diesen Zweck zu erfüllen, und
- der Vorteil des Dritten allenfalls nebensächlich ist.
Hinzukommen muss zudem die allgemei...