Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
Im BFH-Urteil v. 11.10.2023 (II R 34/20, BStBl 2024 II S. 375) äußerte sich der BFH zur sog. Jastrowschen Klausel, die im Rahmen von Berliner Testamenten verhindern soll, dass sich enterbte Kinder durch ihre Geltendmachung des Pflichtteils einen höheren Wertanteil am Nachlass als zu Schlusserben eingesetzte Kinder verschaffen.
Im konkreten Fall setzten sich Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein, wobei der länger lebende über den Nachlass des erstversterbenden Ehegatten und sein eigenes Vermögen frei verfügen konnte (Berliner Testament). Als Schlusserben des zuletzt versterbenden Ehegatten wurden vier Kinder eingesetzt, zwei weitere Kinder enterbt. Die aufgenommene sog. Jastrowsche Klausel sah für den Fall, dass eines der (enterbten) Kinder nach dem Tod des zuerst sterbenden Elternteils den Pflichtteil verlangt, vor, dass dieses Kind auch vom Nachlass des Längerlebenden nur den Pflichtteil erhalten sollte. Denjenigen (zu Erben eingesetzten) Kindern, die beim Tod des Erstversterbenden nicht ihren Pflichtteil verlangten, sollte bei Tod des zuletzt sterbenden Ehegatten aus dem Nachlass des Erstverstorbenen ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils gewährt werden, das erst bei Tod des zuletzt versterbenden Ehegatten fällig wurde (betagtes Vermächtnis).
Da die enterbten Geschwister nach dem Tod des erst verstorbenen Vaters ihren Pflichtteil geltend machten, erhielten die zu Erben eingesetzten Kinder ein solches betagtes Vermächtnis. Bei Tod des Vaters setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer für den Erwerb von Todes wegen fest. Dabei wurde das Vermächtnis (da noch nicht fällig) nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht. Nach dem Tod der Mutter fiel bei den zu Erben eingesetzten Kindern neben dem Nachlass der Mutter auch das nun fällig gewordene Vermächtnis an. Hinsichtlich des Erwerbs des Nachlasses wurde das Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) berücksichtigt. Das Vermächtnis war vom Kind nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ErbStG zu versteuern. Laut BFH zu Recht.
Die zweifache Entstehung von Erbschaftsteuer für das betagte Vermächtnis (zum einen ungeschmälert nach dem Tod des Vaters bei der Mutter und zum anderen beim Kind nach dem Tod der Mutter) sei laut BFH systemimmanent und nicht zu beanstanden. Diese (ungünstige Folge) gehe mit der Verwendung der Jastrowschen Klausel einher, die (um beim überlebenden Ehegatten für ausreichend Liquidität zu sorgen), das betagte Vermächtnis erst beim Tod dieses Ehegatten fällig werden lässt. Gegen das Urteil ist eine Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG unter 1 BvR 1381/24 anhängig.