Daniel Käshammer, Dr. Andreas Bolik
8.1 Verlustverrechnung bei der Öffentlichen Hand
Soweit die öffentliche Hand wirtschaftlich tätig wird, kann dies entweder im Rahmen sog. Betriebe gewerblicher Art (BgA) oder durch Beteiligung an Personen- oder Kapitalgesellschaften erfolgen. Die Möglichkeiten zur Verrechnung von Verlusten aus dauerdefizitären Tätigkeiten sind dabei durch spezifische Gesetzesvorschriften limitiert. Zum einen durch die Zusammenfassungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 6 KStG (Querverbund), zum anderen durch die Spartenrechnung für Kapitalgesellschaften nach § 8 Abs. 9 KStG.
8.1.1 Zusammenfassung von BgA (Querverbund)
Grundsätzlich ist für jeden Betrieb gewerblicher Art (BgA) separat das steuerliche Einkommen zu ermitteln. In Ausnahmefällen können gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG jedoch mehrere BgA zusammengefasst werden, wenn
- sie gleichartig sind (Nr. 1),
- zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht (Nr. 2) oder
- BgA i.S.d § 4 Abs. 3 KStG (u.a. Versorgungsbetriebe) vorliegen (Nr. 3).
Für die Zwecke der Einkommensermittlung werden die zusammengefassten BgA dann als einheitlicher Betrieb angesehen (Ermittlung eines einheitlichen Einkommens mit der Möglichkeit der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus einzelnen Tätigkeiten).
Das BMF fordert bisher nach § 4 Abs. 6 KStG explizit keine organisatorische Verflechtung, sondern setzt für die Ausübung des steuerlichen Wahlrechts die Abgabe einer einheitlichen Steuererklärung für die verschiedenen BgA voraus (vgl. BMF, Schreiben v. 12.11.2009, BStBl 2009 I S. 1303, Rz. 1 und Rz. 3). Der BFH äußerte nun Zweifel, ob diese Sichtweise vom Wortlaut des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG gedeckt ist und forderte das BMF auf, dem Verfahren beizutreten (BFH, Beschluss v. 31.1.2024, V R 43/21).
Bei der Beurteilung der Zusammenfassung von mehr als zwei BgA stellt sich dem BFH zudem die Frage nach der Prüfung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG. Für den BFH ist fraglich, ob die Vorschrift eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA gestattet, bei der auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst werden und es dann auf einer zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA genügt, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG nur zu einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen. Für das BMF reicht es für die Zusammenfassung des (dazu kommenden) BgA mit bereits zusammengefassten BgA aus, wenn die Voraussetzungen nur zwischen dem "neuen" BgA und einem der bereits zusammengefassten BgA besteht (sog. Mitschlepptheorie). In den Fällen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG muss laut BMF die Voraussetzung "von einigem Gewicht" jedoch im Verhältnis zum zusammengefassten BgA vorliegen (vgl. BMF, Schreiben v. 12.11.2009, BStBl 2009 I S. 1303). Der BFH merkt an, dass der Wortlaut von § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG keine unterschiedlichen Voraussetzungen für die Zusammenfassung mit nur einem anderen oder mehreren anderen BgA vorsehe. Eine solche Einschränkung würde der BFH als nicht ausreichend ansehen.
Am 29.8.2024 fand die mündliche Verhandlung statt. Die Klärung der Fragen im abschließenden Urteil bleibt abzuwarten und dürfte insbesondere für Kommunen von erheblicher Bedeutung sein, ggf. auch für die sog. Spartenrechnung bei Kapitalgesellschaften nach § 8 Abs. 9 KStG.
8.1.2 Spartenrechnung
Im Fall des BFH-Urteils v. 14.3.2024 (V R 51/20) trat neben eine bereits bestehende Organschaft zwischen einer Eigengesellschaft (GmbH) einer Stadt mit einem dauerdefizitären Verkehrsbetrieb (A-GmbH) eine weitere Organschaft zu einem Versorgungsbetrieb (B-AG). Im Gegensatz zur Vorinstanz (Hessisches FG, Urteil v. 6.4.2020, 4 K 1112/18) wurde laut BFH damit eine neue Sparte begründet, so dass bestehende Verlustvorträge einzufrieren waren. Die Tätigkeiten "Verkehr" und "Versorgung" sah der BFH nicht als gleichartig an. Die für eine Verrechnung erforderliche Gleichartigkeit i.S.d. § 8 Abs. 9 KStG liege laut BFH nur dann vor, wenn Tätigkeiten in demselben Gewerbezweig ausgeübt werden oder sich zwar unterscheiden, aber gegenseitig ergänzen (funktionelle Verbindung).
Der BFH weist in seiner Urteilsbegründung auf weitere offene Fragen im Zusammenhang mit der Spartenbildung im Organkreis hin, die er infolge des Verböserungsverbots allerdings nicht beantworten musste. Laut Leitsatz des abgetrennten Verfahrens (BFH, Urteil v. 14.3.2024, V R 2/24, Einstufung der Klage als unzulässig) ist bei Aufnahme einer weiteren Tätigkeit durch eine Kapitalgesellschaft i.S.d § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG erst mit der getrennten Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte und mit dem Unterlassen einer Verlustverrechnung oder eines Verlustabzugs (§ 8 Abs. 9 Satz 2, 4 und 5 KStG) eine Entscheidung darüber verbunden, ob eine neue, gesonderte Sparte im Sinne des § 8 Abs. 9 Satz 3 Halbsatz 1 KStG vorliegt. Dies gelte entsprechend für den Veranlagungszeitraum, in dem eine Organschaft neu begründet wird. Damit bleiben insbesondere Fragen hinsichtlich der Folgen der Aufnahme neuer Tätigkeiten im Rah...