Leitsatz
1. Eine Versicherungsprämiensteuer wie die im Ausgangsverfahren fragliche ist mit Artikel 33 der 6. EG-RL vereinbar.
2. Artikel 13 Teil B Buchstabe a der 6. EG-RL, nach dem Versicherungsumsätze von der Mehrwertsteuer befreit sind, steht der Einführung eines dem Mehrwertsteuer-Regelsatz entsprechenden besonderen Satzes einer Versicherungsprämiensteuer wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegen, da diese Steuer mit Artikel 33 der 6. EG-RL vereinbar ist, so dass das in Artikel 27 der 6. EG-RL vorgesehene Verfahren, nach dem jeder Mitgliedstaat, der von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einführen möchte, eine vorherige Ermächtigung beim Rat der Europäischen Union beantragen muss, vor Einführung des genannten Satzes nicht eingehalten werden muss.
Normenkette
Art. 27 der 6. EG-RL , Art. 33 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die "IPT" wurde 1994 für grundsätzlich alle Versicherungsverträge zu einem Einheitssatz eingeführt. Das Ziel dieser Steuer war es, dem Hang namentlich der Lieferanten von Haushaltsgeräten entgegenzuwirken, die dazu übergingen, Verträge über Reparatur und Wartung vermieteter oder verkaufter Geräte (Dienstleistungen/sonstige Leistungen = Regelsatz von 17,5 % in England), durch zu den Miet- oder Kaufverträgen akzessorische Versicherungsverträge zu ersetzen (Folge: Mehrwertsteuerbefreiung für Versicherungsumsätze). Der Steuersatz der "ITP" war erheblich niedriger als der Mehrwertsteuersatz; der gewünschte Erfolg blieb aus; der Satz für solche Versicherungen wurde 1997 entsprechend erhöht. Das führte zu einem Aufschrei unter Hinweis auf die Exklusivität der Mehrwertsteuer.
Entscheidung
Der EuGH gab die in den Praxis-Hinweisen erläuterten Kriterien für die Entscheidung vor, die auch für vergleichbare nationale Ansätze von Bedeutung sein können.
Hinweis
Die Besprechungsentscheidung betrifft englische Versicherungsgesellschaften, die sich gegen die Erhebung einer Versicherungsprämiensteuer wandten mit der Begründung, es handele um eine Steuer mit mehrwertsteuerähnlichem Charakter. Der Leitsatz ist fallbezogen; die Gründe sind aber allgemein von Bedeutung für die Frage, hat eine Steuer, Abgabe oder Gebühr mehrwertsteuerähnlichen Charakter oder handelt es sich um eine Beihilfe.
1. Steuer mit mehrwertsteuerähnlichem Charakter.
Nach Art. 27 Abs. 1 und 2 der 6. EG-RL kann der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten. Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung dürfen den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer nur in unerheblichem Maß beeinflussen.
Art. 33 der 6. EG-RL erlaubt den Mitgliedstaaten, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, wenn sie im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden sind.
Versicherungsleistungen sind nach Art. 13 Teil B Buchst. 1 der 6. EG-RL (vgl. § 4 Nr. 10 UStG) befreit; sie können aber nach Art. 33 der 6. EG-RL anderen indirekten Steuern unterworfen werden, solange diese nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben. Handelt es sich um eine Regelung mit mehrwertsteuerähnlichem Charakter, ist eine Ermächtigung nach Art. 27 der 6. EG-RL erforderlich. Das kann auch der Fall sein, wenn eine Maßnahme nicht in allen Punkten sich mit der Mehrwertsteuer deckt. Charakteristisch für die Mehrwertsteuer ist:
- Die Mehrwertsteuer gilt ganz allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte,
- unabhängig von der Anzahl,
- unabhängig vom Preis dieser Gegenstände und Leistungen.
- Sie wird auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben.
- Sie bezieht sich letztlich nur auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen (= Steuer abzüglich Vorsteuer)
2. Staatliche Beihilfe
Bei – wie bei der englischen Steuer geschehen – zwei unterschiedlichen Steuersätzen stellt sich die Frage, ob es sich insoweit nicht um eine staatliche Beihilfe handelt.
Unvereinbare Beihilfen liegen vor, wenn staatliche Mittel durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen (Randnr. 66). Auch von staatlichen Stellen gewährte Vorteile, die in verschiedener Form die Belastungen mindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, können eine Beihilfe sein (Randnr. 69).
Um festzustellen, ob die Maßnahme selektiv ist, ist festzustellen, ob bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, begünstigt werden.
Das ist nicht der Fall, wenn eine Maßnahme zwar ei...