Leitsatz
1. Verpflichtet sich der Gesellschafter einer Personengesellschaft, für diese ein speziell für deren Zwecke geeignetes Gebäude zu errichten, wobei er die Baukosten hierfür nur bis zu einer bestimmten Höhe zu tragen hat, während die Gesellschaft zur Übernahme der Mehrkosten verpflichtet ist, kann trotz vereinbarter Unentgeltlichkeit der späteren Nutzungsüberlassung eine – dieser vorgeschaltete – entgeltliche sonstige Leistung ("Bebauungsleistung") des Gesellschafters vorliegen.
2. Zur Auslegung von § 10 Abs. 5 UStG in der Fassung von Art. 7 Nr. 2 Buchst. a und b i.V.m. Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG, Art. 80, Art. 168 Buchst. a EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, betrieb auf dem Gebiet zweier Gemeinden einen Windpark mit mehreren Windenergieanlagen zur Stromerzeugung. Seit 2013 erzeugte sie Strom, den sie steuerpflichtig an einen Stromversorger verkaufte. Mit Vertrag vom 31.1./2.2.2013 vereinbarte die Klägerin entsprechend einer ihr auferlegten Verpflichtung mit der C-GmbH die Gründung einer Projektgesellschaft (EN‐KG). Der Anteil der Klägerin am Kommandit‐ und am Stammkapital der Komplementär-GmbH betrug jeweils 55 %. Gegenstand der EN‐KG war die Errichtung und der Betrieb eines stationären elektrischen Energiespeichers in den beiden Gemeinden sowie das Testen von Geschäftsmodellen für die Vermarktung von Energie (Strom) aus dem Speicher, wobei die Errichtung eines Energiespeichers mit einer Leistung von 1 MW und einer Speicherkapazität von rund 4 MW angestrebt war. In dem Vertrag wurde vereinbart, dass die Klägerin der EN‐KG ein Gebäude kostenlos zur Nutzung überlässt, das bestimmten technischen Anforderungen entspricht. Soweit die Kosten der Errichtung dieses Gebäudes einen Betrag von 500.000 EUR überstiegen, hatte die EN‐KG die überschießenden Kosten selbst zu tragen. Die Klägerin errichte auf eigenem Grund und Boden ein Hallengebäude für eine Vanadium-Redox-Flow-Batterie, ein Informationsgebäude mit Serverraum, Tagungsraum und Sanitäreinrichtungen, eine Betonplatte, die Hofbefestigung, einen Zaun sowie den Netzanschluss für insgesamt 772.024,84 EUR zuzüglich USt. Im Anschluss an die Fertigstellung überließ die Klägerin der EN‐KG auf der Grundlage eines Nutzungsüberlassungsvertrags vom 16.1./16.2.2015 ab dem 9.7.2014 das Hallen- und Informationsgebäude "kostenlos". Die in den Rechnungen für die Herstellung des überlassenen Gebäudes und der Außenanlagen ausgewiesene USt machte die Klägerin beim FA im Umfang der jeweils in den Streitjahren angefallenen Beträge (9.391,95 EUR im Jahr 2013, 113.443,33 EUR im Jahr 2014, 17.493,91 EUR im Jahr 2015) als Vorsteuer geltend. Am 20.4.2016 stellte die Klägerin der EN‐KG unter Bezugnahme auf die vereinbarte Kostendeckelung auf 500.000 EUR den überschießenden Betrag von 272.024,84 EUR zuzüglich 51.684,72 EUR USt in Rechnung. Das FA war der Auffassung, dass die auf die Errichtung des Gebäudes entfallenden Vorsteuerbeträge nicht abzugsfähig seien. Demgegenüber gab das FG der Klage statt (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 10.3.2021, 4 K 29/18, Haufe-Index 14473523, EFG 2021, 1244), allerdings ohne sich mit der Frage einer der Nutzungsüberlassung vorgelagerten Leistung zu befassen.
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
1. Der BFH neigt zu einer weiten Bestimmung der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Die Vereinbarung einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung in Bezug auf ein hierfür zu errichtendes Gebäude kann daher zur Annahme einer gesonderten Bebauungsleistung führen, wenn sich der Nutzungsberechtigte zu einer Kostenbeteiligung für die Errichtung verpflichtet.
2. Handelt es sich bei den Beteiligten um nahestehende Personen, stellt sich dann die Frage nach der Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG. Diese Vorschrift ist in zwei Fällen, der Leistung zwischen nahestehenden Personen und der Leistung des unternehmerisch tätigen Arbeitgebers an sein Personal, anzuwenden.
3. Für den zweiten Fall hatte der BFH im Hinblick auf das insoweit zu beachtende Merkmal der Leistung aufgrund des Dienstverhältnisses mehrfach entschieden, dass die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage voraussetzt, dass es bei einer fiktiven unentgeltlichen Erbringung derselben Leistung zu einer Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG kommt. Dieser Rechtsprechung lag zugrunde, dass die unentgeltliche Überlassung von Arbeitsbekleidung aus unternehmerischen Gründen, die zu keiner Entnahmebesteuerung führt, nicht deshalb der Mindestbemessungsgrundlage unterliegen soll, weil der Arbeitnehmer hierfür eine Zuzahlung zu leisten hat.
4. Diese Betrachtung hat der BFH mit einer Kurzbegründung und ohne Auseinandersetzung mit dem insoweit fehlenden...