Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Drittlandsgrenzüberschreitende Güterbeförderungen sind grds. nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die Finanzverwaltung hatte im Februar 2020 unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des EuGH die Anwendungsgrundsätze dahingehend geändert, dass eine Steuerbefreiung nur dann gegeben ist, wenn die drittlandsgrenzüberschreitende Güterbeförderung unmittelbar gegenüber dem Versender oder dem Empfänger der Gegenstände ausgeführt wird. Eine in dem Schreiben gewährte Nichtbeanstandungsregelung wurde später noch bis zum 31.12.2021 verlängert.
Die Finanzverwaltung präzisiert jetzt die Voraussetzungen zur Gewährung der Steuerbefreiung insbesondere in den Fällen, in denen sog. gemischte Sendungen vorliegen und führt darüber hinaus auch eine Vertrauensschutzregelung ein. Die Steuerbefreiung kann nach den Vorgaben des EuGH nur dann erfolgen, wenn die drittlandsgrenzüberschreitende Beförderung eines Gegenstands durch den Unternehmer unmittelbar an den Versender oder den Empfänger ausgeführt wird. Grundsätzlich wird klargestellt, dass
- Versender der liefernde Unternehmer ist und
- Empfänger der Abnehmer des Gegenstands
ist.
Bei sog. gemischten Sendungen, bei denen ein Hauptfrachtführer Aufträge an einen Unterfrachtführer erteilt, gleichzeitig aber auch als Lieferer (Versender) dem (Unter-)Frachtführer Aufträge erteilt und diese Waren alle in einem Container o.ä. drittlandsgrenzüberschreitend transportiert werden, muss grundsätzlich eine Aufteilung vorgenommen werden. Die Steuerbefreiung kann dem Grunde nach nur insoweit vorliegen, wie es sich nicht um den Unterauftrag handelt. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn in solchen Fällen die gesamte Beförderungsleistung steuerpflichtig behandelt wird – dies gilt auch für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers.
Der Unternehmer, der als Beförderer die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG in Anspruch nehmen möchte, muss nachweisen, dass sein Auftraggeber als Versender oder als Empfänger den Auftrag erteilt hat – z. B. durch eine beleghafte Bestätigung des Auftraggebers, dass er Versender ist. Da der befördernde Unternehmer in Einzelfällen aber nur schwer erkennen kann, ob sein Auftraggeber tatsächlich als "Versender" i. S. d. Vorschrift auftritt, hat die Finanzverwaltung noch eine Vertrauensschutzregelung aufgenommen, dass die Steuerbefreiung zur Vermeidung von Unbilligkeiten gewährt wird, wenn der Unternehmer keine Kenntnis hatte und auch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, dass der Auftraggeber unzutreffende Angaben über seine Versendereigenschaft gemacht hat
Die Vertrauensschutzregelung gilt aber nicht, wenn eine drittlandsgrenzüberschreitende Güterbeförderung im Namen eines Unternehmers, jedoch für Rechnung eines anderen Unternehmers beauftragt und der erste Unternehmer eine Bestätigung über seine Versendereigenschaft erteilt.
Konsequenzen für die Praxis
Urteile des EuGH müssen angewandt werden – ob diese sinnvoll und sachgerecht sind, darf in der Praxis nicht hinterfragt werden. Einer der Gründe des EuGH in seiner Entscheidung 2017 war (auch) die Vereinfachung und Konzentration der Steuerbefreiung auf die Leistungen des Hauptfrachtführers. Mittlerweile dürfte klar sein, dass mit der Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH genau das Gegenteil eingetreten ist. Es ist zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung versucht, mit einer Vertrauensschutzregelung zumindest die größten Unsicherheiten für die beteiligten Unternehmer zu beseitigen.
Die Regelung ist – da die Nichtbeanstandungsregelung des BMF noch für alle Leistungen bis zum 31.12.2021 gilt – auf alle Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2021 ausgeführt werden.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 27.9.2021, III C 3 - S 7156/19/10002 :006, BStBl 2021 I S. XXX.