Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Überblick
Die Finanzverwaltung ändert ihre Rechtsaufassung zur Definition von Vermietungs- und Verpachtungsleistungen. Diese Begriffe sind nicht nach nationalem Zivilrecht, sondern nach dem Unionsrecht auszulegen. Demnach kann auch die Vermietung von Standplätzen auf Kirmessen zu einem einheitlichen steuerfreien Vermietungsumsatz führen.
Kommentar
Die rechtliche Problematik
Die Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks ist nach § 4 Nr. 12 UStG eine steuerbefreite sonstige Leistung, soweit nicht die in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ausdrücklich davon ausgenommenen Leistungen ausgeführt werden.
Keine steuerfreie Vermietungsleistung liegt bei der kurzfristigen Vermietung – bis zu 6 Monaten – von Wohn- oder Schlafräumen zur Beherbergung von Fremden, der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen, der kurzfristigen Vermietung auf Campingplätzen sowie der Vermietung von Betriebsvorrichtungen vor.
Damit eine Leistung unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG fallen kann, müssen 2 wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein:
- es muss sich um eine Leistung an einem Grundstück handeln und
- es muss eine Vermietung oder Verpachtung vorliegen.
Bei der Voraussetzung, dass es sich um eine Leistung i. Z. m. einem Grundstück handeln muss, hatte die Finanzverwaltung schon vor einiger Zeit die Anknüpfung an das nationale Zivilrecht aufgegeben und Grundstück im Vorgriff auf die zum 1.1.2017 im Gemeinschaftsrecht bindende Regelung des Art. 13b MwStSystRL-DVO definiert.
Als Grundstück i. S. d. Regelung sind danach anzusehen:
- Ein bestimmter über- oder unterirdischer Teil der Erdoberfläche, an dem Eigentum und Besitz begründet werden kann;
- jedes mit oder in dem Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Gebäude oder jedes derartige Bauwerk, das nicht leicht abgebaut oder bewegt werden kann;
- jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder Bauwerks bildet, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist, wie z. B. Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge;
- Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Ob eine Vermietungsleistung vorliegt, richtete sich nach Auffassung der Finanzverwaltung bisher nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts. Diese Anknüpfung gibt die Finanzverwaltung jetzt auf und definiert die Vermietungs- und Verpachtungsleistung nach unionsrechtlichen Vorgaben.
Die Vermietung eines Grundstücks setzt voraus, dass dem Mieter vom Vermieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, das Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls, vor allem der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zu berücksichtigen. Maßgebend ist der objektive Inhalt des Vorgangs, unabhängig von der Bezeichnung durch die Parteien. Diese Voraussetzungen gelten auch für die Verpachtung eines Grundstücks und die hierdurch typischerweise eingeräumten Berechtigungen an dem Grundstück zur Ausübung einer sachgerechten und nachhaltigen Bewirtschaftung.
Auch dingliche Nutzungsrechte, die dem Inhaber ein Nutzungsrecht an dem Grundstück geben – wie z. B. die Einräumung eines Wegerechts – fallen unter die Steuerbefreiung als Grundstücksüberlassung.
Eine Vermietung i. d. S. setzt nicht voraus, dass die vermietete Grundstücksfläche bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags bestimmt ist. Auch muss nicht die Dauer der Überlassung des Grundstücks von vornherein festgelegt sein.
Die Dauer der Überlassung kann aber für den Ausschluss der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG von Bedeutung sein, wenn es sich um die kurzfristige Beherbergung in Schlaf- oder Wohnräumen handelt.
Ohne Bedeutung für die Einordnung als Vermietungsleistung ist weiterhin, ob der Mieter das ausschließliche Nutzungsrecht hat oder ob es durch andere Mieter oder durch Betretungsrechte des Eigentümers beschränkt ist, insoweit kann dies dennoch als ein ausschließliches Nutzungsrecht angesehen werden, sodass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen.
Unter den genannten Voraussetzungen kann auch die Vermietung von Standflächen bei einer Kirmesveranstaltung durch eine Gemeinde als einheitliche Leistung steuerfrei nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG sein, wenn die Überlassung der Standplätze als wesentliches Leistungselement prägend ist.
Konsequenzen für die Praxis
Die Finanzverwaltung übernimmt nun auch bei der Frage, ob es sich um eine Vermietungsleistung handelt, die unionsrechtlichen Vorgaben. Eine Anknüpfung an nationale Definitionen des Zivilrechts führt vor dem Hintergrund der harmonisierten Anwendungsgrundsätze in der EU grundsätzlich zu Schwierigkeiten.
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