Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Seit Langem ist strittig, ob Heileurythmisten steuerfreie Leistungen im Rahmen heilkundlicher Tätigkeit ausführen und unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist.
Die Steuerbefreiung als heilkundliche Leistung setzt regelmäßig berufsrechtliche Regelungen voraus, nach denen eine Befähigungsprüfung abzulegen ist. Allerdings hat das BVerfG entschieden, dass das Fehlen von berufsrechtlichen Regelungen einer Steuerbefreiung nicht entgegensteht. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die Steuerbefreiung aber dennoch einen Befähigungsnachweis voraus.
Der BFH hatte jetzt entschieden, dass sich der Nachweis der erforderlichen Berufsqualifikation aus der Zulassung des Heileurythmisten zur Teilnahme an den Verträgen zur Integrierten Versorgung mit Anthroposophischer Medizin nach §§ 140a ff. SGB V ergeben kann. Liegen diese Voraussetzungen vor, erstreckt sich die Steuerbefreiung dann auf sämtliche heileurythmische Heilbehandlungsleistungen des Leistungserbringers, für die der Befähigungsnachweis erbracht ist.
Eine Trennung der Umsätze, z. B. soweit sie durch die Verträge zur Integrierten Versorgung gegenüber Kassenpatienten und außerhalb dieser Regelung gegenüber privat versicherten Patienten erbracht werden, kann nach dem Urteil des BFH nicht in Betracht kommen.
Die Finanzverwaltung passt entsprechend dem Urteil des BFH Abschn. 4.14.4 UStAE an. Der berufliche Befähigungsnachweis kann sich danach auch aus dem Abschluss eines Integrierten Versorgungsvertrags nach §§ 140a ff. SGB V zwischen dem Berufsverband des Leistungserbringers und den gesetzlichen Kassen ergeben. Weiterhin bleibt es aber dabei, dass dies voraussetzt, dass der Leistungserbringer Mitglied des Berufsverbands ist, der Integrierte Versorgungsvertrag Qualitätsanforderungen für diese Leistungserbringer aufstellt und der Leistungserbringer diese Anforderungen auch erfüllt.
Die Finanzverwaltung belässt die Heileurythmistinnen und Heileurythmisten aber grundsätzlich in Abschn. 4.14.4 Abs. 12 UStAE in der Aufzählung der Berufsgruppen, die keine ähnliche heilberufliche Tätigkeit i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ausführen, schränkt dies aber dahingehend ein, dass dies nicht gilt, wenn diese den Nachweis ihrer beruflichen Qualifikation durch die Teilnahmeberechtigung an einem Vertrag zur Integrierten Versorgung erbringen.
Konsequenzen für die Praxis
Wird der Befähigungsnachweis für eine heilkundliche Tätigkeit durch die Teilnahme an den Verträgen zur Integrierten Versorgung nachgewiesen, erstreckt sich die Befreiung nicht nur auf die Leistungen, die unmittelbar unter die Anwendung dieses Versorgungsvertrags fallen, sondern auch auf entsprechende Leistungen anderen gegenüber.
Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber für alle bis 31.12.2018 ausgeführten Leistungen nicht, wenn diese Leistungen noch steuerpflichtig behandelt werden. Eine Korrektur für die Vergangenheit muss deshalb nicht erfolgen.
Soweit für Leistungen von Heileurythmistinnen und Heileurythmisten bisher Umsatzsteuer für Leistungen im Rahmen von Verträgen zur Integrierten Versorgung angemeldet und abgeführt worden war, könnte über eine Berichtigung nachgedacht werden. Dabei ist aber zu beachten, dass eine in einer Rechnung dann gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer bei Inanspruchnahme der Steuerbefreiung als unrichtig ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG anzusehen ist. Eine Rechnungsberichtigung mit Korrektur der Umsatzsteuer setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass die dann erhaltene Umsatzsteuer an den Vertragspartner zurückgezahlt werden muss.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 27.11.2018, III C 3 – S 7170/08/10001, BStBl 2018 I S. 1363