Leitsatz
1. Ein Arzt für Laboratoriumsmedizin erbringt mit seinen medizinischen Analysen und Laboruntersuchungen, die er im Auftrag der behandelnden Ärzte oder deren Labore/Laborgemeinschaften ausführt, "ärztliche Heilbehandlungen" i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL bzw. "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL; es ist nicht erforderlich, dass diese Leistungen unmittelbar gegenüber den Patienten erbracht werden (EuGH-Rechtsprechung).
2. Umsätze eines Arztes für Laboratoriumsmedizin aus medizinischen Analysen und Laboruntersuchungen im Auftrag der behandelnden Ärzte oder deren Labore/Laborgemeinschaften sind auch dann nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 / 1991 / 1993 steuerfrei, wenn er sie in der Rechtsform einer GmbH erbringt und er der alleinige Gesellschafter dieser GmbH ist.
3. Soweit solche Umsätze eines Arztes für Laboratoriumsmedizin sowohl unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 / 1991 / 1993 aufgrund dessen Anknüpfung an den Beruf (hier als Arzt) und dessen spezifische Umsätze als auch entsprechend Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL unter die des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980 / 1991 / 1993 fallen, kann sich der Steuerpflichtige auf die für ihn günstigere Regelung des nationalen Rechts (§ 4 Nr. 14 UStG 1980 / 1991 / 1993) berufen. § 4 Nr. 14 UStG 1980 / 1991 / 1993 folgt insoweit einer anderen Systematik als Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-RL, die in erster Linie dem Ort der Leistungserbringung folgt. Der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 UStG 1980 / 1991 / 1993 kann nicht im Weg der Auslegung auf den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980 / 1991 / 1993 "begrenzt" werden.
4. § 4 Nr. 16 UStG 1980 / 1991 / 1993 verstößt gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität, weil nicht für alle Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen, die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL genannt sind, in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung gelten.
Normenkette
§ 4 Nr. 14, § 4 Nr. 16 UStG 1980 / 1991 / 1993, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH (alleiniger Gesellschafter ein Arzt für Laboratoriumsmedizin), führte 1990 bis 1993 u.a. im Auftrag verschiedener, ärztlicher Laborgemeinschaften medizinische Analysen durch; deren Gesellschafter (Ärzte) hatten die Analysen im Rahmen ihrer Heilbehandlungen angeordnet. Jedes Mitglied einer Laborgemeinschaft rechnete gegenüber seinen Patienten bzw. deren Versicherung die von der Klägerin erbrachte Leistung als eigene Leistung ab.
Das FG war mit dem FA der Ansicht, die Leistungen seien nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. c des UStG steuerfrei – dies mangels "ärztlicher Aufsicht" – und weil die 40 %-Grenze in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG nicht erfüllt sei.
Entscheidung
Die Revision hatte aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen Erfolg. Die 40 %-Grenze in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG bezieht sich – was das FA anders beurteilt hatte – nur auf die in § 4 Nr. 16 UStG genannten Umsätze selbst und nicht etwa auf den Gesamtumsatz des Unternehmers.
Die zutreffende Beurteilung der 40 %-Grenze ist i.S.d. § 69 FGO ernstlich zweifelhaft.
Hinweis
Mit Beschluss vom 25.11.2004, V R 55/03, BFH-PR 2005, 184 hatte der BFH dem EuGH die Frage vorgelegt:
"Erlauben es Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der 6. EG-RL, die Steuerbefreiung der von praktischen Ärzten angeordneten medizinischen Laboranalysen auch dann von den dort genannten Bedingungen abhängig zu machen, wenn die Heilbehandlung der Ärzte ohnedies steuerfrei ist?"
Mit Urteil vom 8.6.2006, Rs. C-106/05, L.u.P. GmbH – im Folgenden: Vorabentscheidung – (BFH-PR 2006, 368) hatte der EuGH entschieden: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL sei dahin auszulegen, dass der vorbeugenden Beobachtung und Untersuchung der Patienten dienende Laborleistungen eines privaten Labors, die auf Anordnung praktischer Ärzte durchgeführt werden – also nicht unmittelbar gegenüber dem Patienten –, ärztliche Heilbehandlungen i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c (!) der 6. EG-RL sein können. Diese Antwort des EuGH ließ die Sache in einem anderen Licht erscheinen, als bei der Vorlage: Denn nach nationalem Recht kommt dann eine Befreiung nach § 4 Nr. 14 UStG und nicht – wie im Vorlagebeschluss des BFH vorausgesetzt – nach § 4 Nr. 16 UStG in Betracht.
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL stehe einer nationalen Regelung nicht entgegen, die für die ärztlichen Laborleistungen und die in Buchst. b genannten Umsätze "eng verbundenen Umsätze" unterschiedliche Bedingungen aufstelle. Unzulässig sei das Erfordernis der "ärztlichen Aufsicht". Zulässig sei die Bedingung, dass mindestens 40 % von ihnen Personen zugute kommen, die bei einem Träger der Sozialversicherung versichert sind.
1. Die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL bzw. § 4 Nr. 14 UStG i...