Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie nur Einzelpersonen oder auch Kapitalgesellschaften erfasst und inwieweit dort auch Leistungen der ambulanten Krankenpflege einbezogen sind. Weiterhin war streitig, ob die Pflegeleistungen ggf. noch unter Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie fallen bzw. ob die Klägerin sich unmittelbar auf diese Vorschrift berufen kann.
Entscheidung
Die EU-Kommission und die Bundesregierung hatten übereinstimmend die Auffassung vertreten, die Pflegeleistungen der Klägerin, soweit sie einen medizinischen Bezug aufweisen, könnten unter die Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie fallen. Kommission und Bundesregierung stimmten auch darin überein, dass die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift nicht von der Rechtsform des Unternehmers abhängig und die Befreiung auch bei Kapitalgesellschaften anwendbar ist.
Zur Frage der Möglichkeit, sich unmittelbar auf Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g berufen zu können, hatte die EU-Kommission vorgetragen, dies sei denkbar, wenn die Einrichtung von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt worden sei. Die Bundesregierung hatte dagegen die Auffassung vertreten, die Richtlinienvorschrift verleihe für sich genommen kein unmittelbares Berufungsrecht, weil sie nicht inhaltlich unbedingt im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EuGH sei.
Die erste Frage hat der EuGH erwartungsgemäß dahingehend beantwortet, dass die Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie von der Rechtsform des Unternehmers unabhängig ist. Allerdings stellt der EuGH - ungefragt - klar, dass die Steuerbefreiung nur ärztliche Leistungen umfasst, die von Personen ausgeübt werden, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen (Rz. 27 der Urteilsgründe). Vor diesem Hintergrund müsste der EuGH in dem Verfahren C-45/01 eigentlich zum Ergebnis kommen, dass eine Stiftung, die mit angestellten Diplompsychologen arbeitet, die zwar die Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz besitzen, aber nicht als Ärzte zugelassen sind, nicht heilberuflich im Sinne von Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie tätig werden kann. Denn die Stiftung selbst könnte keinen beruflichen Befähigungsnachweis erbringen.
Der EuGH begründet seine - hinsichtlich der Frage der Rechtsform - eher weite Auslegung von Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie im Wesentlichen damit, dass die Vorschrift bezweckt, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken. Von daher sollte es unschädlich sein, wenn der Unternehmer zwar nicht persönlich beruflich qualifiziert ist, wohl aber das Personal, dessen er sich bedient.
Des Weiteren stellt der EuGH klar, dass die Heilbehandlungen im Sinne von Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie keine Pflegeleistungen umfassen, die nicht im Zusammenhang mit der Vorbeugung, Diagnose oder Behandlung einer Erkrankung stehen. Leistungen, die keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, wie die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung, fallen somit nicht unter die Befreiungsvorschrift für die ärztliche Heilbehandlung.
Solche Pflegeleistungen können nach dem Urteil jedoch unter Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie subsumiert werden. Danach sind steuerfrei die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen. Die Bundesregierung war zwar auch dieser Auffassung gewesen, hatte jedoch nicht die Möglichkeit gesehen, dass wegen der für die Zeit vor dem 1.1.1992 fehlenden Umsetzung von Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g (§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG ist erst auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.1991 bewirkt werden) ein unmittelbares Berufungsrecht besteht. Die Bundesregierung hatte vorgetragen, die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter müsse ausdrücklich im Gesetzgebungswege erfolgen. Die EU-Kommission hatte dagegen vorgebracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass eine Einrichtung in einem Mitgliedstaat in irgendeiner Weise (auch außersteuerlich) als Einrichtung mit sozialem Charakter angesehen werde, sei zu prüfen, ob dies zu einem unmittelbaren Berufungsrecht führen könne.
Der EuGH folgt in seiner Entscheidung weder der Kommission noch der Bundesregierung. Ein generelles unmittelbares Berufungsrecht lehnt er im Hinblick auf Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g ab. Zwar zähle die Vorschrift die Tätigkeiten genau und unbedingt auf, die steuerfrei sind. Andererseits verweist der EuGH darauf, dass die Mitgliedstaaten ein Wahlrecht haben, bestimmte Einrichtungen mit sozialem Charakter anzuerkennen. Solange ein Mitgliedstaat das ihm dabei...