Leitsatz
Ein Unternehmer kann die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b und c UStG nur für die unmittelbar durch den Betrieb der in der Vorschrift bezeichneten Einrichtung selbst bewirkten Umsätze beanspruchen.
Normenkette
§ 4 Nr. 16 Buchst. b und c UStG 1980 , Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin war – als Organträger, so die Beteiligten – zu 100 % beteiligt an der Klinikum-GmbH (anerkanntes Krankenhaus), der Kur-GmbH (Betrieb von Thermalwasserbädern zur ambulanten Durchführung von Heil-, Vorsorge- und Kurbehandlungen jeder Art) sowie der T.-GmbH. An diese Gesellschaften hatte sie ihren Grundbesitz verpachtet. Die Einrichtungen des Kurmittelhauses wurden von den Patienten des Klinikums, von ambulanten Patienten mit ärztlicher Verordnung und von sonstigen Besuchern gegen Eintrittsgeld genutzt.
Das FA war der Auffassung, auch die der ambulanten Durchführung von "Heil- u.ä. Behandlungen" aufgrund ärztlicher Verordnung dienenden Leistungen seien steuerpflichtig.
Auch im Organkreis könne die Selbstständigkeit der beteiligten Gesellschaften im Rahmen von § 4 Nr. 16 UStG nicht negiert werden. Auch die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG lägen nicht vor, weil die streitigen Leistungen nicht "unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden". Das FG meinte dagegen, die Organschaft habe auch Folgen für die Außenbeziehungen. Zu den Umsätzen, die mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng zusammengehörten, zähle auch die ambulante Behandlung von Patienten.
Entscheidung
Der BFH wies die Sache an das FG zurück; zwar lagen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG nicht vor, weil die Kurmittel-GmbH kein Krankenhaus war. Nach dem Sachverhalt konnte nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelt eine Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG in Betracht kam (Benutzung der Thermalbäder aufgrund ärztlicher Verordnung).
Nicht auszuschließen war auch, dass es sich z.T. um Umsätze handelte, die die bei der Kur-GmbH beschäftigten Personen steuerfrei hätten erbringen können, wenn sie selbstständig tätig gewesen wären. Das ist Gegenstand des EuGH-Verfahrens in der Rechtssache C-45/01 – Christoph-Dornier-Stiftung für Klinische Psychologie – (vgl. BFH, Vorlagebeschluss vom 14.12.2000, V R 54/98, BFHE 194, 275).
Hinweis
1. Für eine juristische Person des öffentlichen Rechts hat der BFH bereits entschieden, dass Organträger nur ein Unternehmer sein kann (BFH, Urteil vom 9.10.2002, V R 64/99, BFH-PR 2003, 105). Für juristische Personen des Privatrechts kann nichts anderes gelten. Das ist aber noch nicht entschieden. Beachten Sie: Ob eine Holdinggesellschaft ohne eigene wirtschaftliche Tätigkeit Organträger sein kann, ist zweifelhaft (bejahend noch BFH, Urteil vom 19.10.1995, V R 71/93, BFH/NV 1996, 273).
Für die Erreichung der Unternehmereigenschaft reichen aber schon Leistungen, die an eine Gesellschaft erbracht werden, mit der als Folge dieser Leistungstätigkeit eine enge finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche (organschaftliche) Verbindung besteht (z.B. Vermietung von Grundstück an Betriebsgesellschaft).
2.Befreit sind nach § 4 Nr. 16 Buchst. b und Buchst. c UStG unter weiteren Voraussetzungen nur die mit dem Betrieb der jeweils bezeichneten Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze. Die Steuerbefreiung dieser Umsätze soll nicht den Träger der Einrichtung – z.B. des Krankenhauses – begünstigen. Sie dient ebenso wie die Befreiungsvorschriften in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-RL dem Zweck, die Kosten ärztlicher Heilbehandlung zu senken. Eine "Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung" i.S.v. § 4 Nr. 16 UStG setzt jedenfalls eine durch die Zusammenfassung sachlicher und persönlicher Mittel abgegrenzte Einheit voraus, die eine der konkret beschriebenen Funktionen (Krankenhaus etc.) erfüllt; sie ist deshalb jedenfalls grundsätzlich nicht mit dem Unternehmer gleichzusetzen. Steuerbefreit sind nur die Umsätze, die mit dem Betrieb der betreffenden Einrichtung, die die im entsprechenden Tatbestand beschriebene Funktion erfüllt, eng verbunden sind. Andere Umsätze desselben Unternehmers, die nicht unmittelbar durch die bezeichnete Einrichtung selbst ausgeführt werden, sind von der Steuerbefreiung nicht erfasst.
Der EuGH hat die Anwendungsbereiche der Befreiungsvorschriften in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. RG-RL für Umsätze durch Heilbehandlungen als abschließend bezeichnet und als Anknüpfungspunkt für die Unterscheidung den Ort der Leistungen beurteilt: Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL sind alle Leistungen befreit, die in Krankenhäusern/Krankenanstalten usw. erbracht werden. Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL sind die regelmäßig in Praxisräumen erbrachten Heilbehandlungen steuerfrei, die außerhalb eines Krankenhauses im Rahmen einer auf Vertrauen gegründeten Beziehung zwischen Patient und Behandelndem erbracht werden. Diese Grundsätze sind bei der Auslegung des § 4 Nr. 16 und Nr. 14 zu berücksic...