Leitsatz
1. § 6a GrEStG gilt für alle Rechtsträger i.S. des GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind.
2. Die Vorschrift erfasst auch den Fall, dass eine abhängige Gesellschaft durch Abspaltung aus einer anderen abhängigen Gesellschaft neu entsteht.
3. Die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können.
4. Bei der Abspaltung zur Neugründung muss das herrschende Unternehmen fünf Jahre nach der Abspaltung zu mindestens 95 % an der abgespaltenen abhängigen Gesellschaft beteiligt bleiben (Nachbehaltensfrist). Die Vorbehaltensfrist muss in Bezug auf die neu gegründete, abhängige Gesellschaft nicht eingehalten werden, weil sie aufgrund der Abspaltung nicht eingehalten werden kann.
5. Führt die Umwandlung zu einem fiktiven Grundstückserwerb i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG, geht die Zuständigkeit für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG als speziellere Regelung für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG der Anwendung des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG vor.
Normenkette
§ 6a, § 1 Abs. 3 Nr. 4, § 17 Abs. 3 GrEStG
Sachverhalt
Bei der Klägerin handelt es sich um eine durch Abspaltung von der A-GmbH neu gegründete Kapitalgesellschaft mit Sitz in Österreich. Sie wurde am 23.7.2014 in das österreichische Firmenbuch eingetragen. Sämtliche Anteile an der A-GmbH hielt seit mehr als fünf Jahren vor dem Abspaltungsvorgang eine ebenfalls in Österreich ansässige AG. Die Anteile an der Klägerin hält nach der Abspaltung ebenfalls zu 100 % die AG. Die A-GmbH hielt 100 % der Anteile an einer in Deutschland ansässigen GmbH (B-GmbH), die wiederum 100 % der Anteile an einer weiteren in Deutschland ansässigen GmbH (C-GmbH) hielt. Sowohl die B-GmbH als auch die C-GmbH verfügen über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte in verschiedenen Gemeinden in Deutschland. Durch die Abspaltung sind die Anteile der A-GmbH an der B-GmbH auf die neu gegründete Klägerin übergegangen.
Das FA, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der B-GmbH befindet, stellte die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG gesondert fest, ohne die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG zu berücksichtigen. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage hatte Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 4.11.2015, 7 K 1553/15 GE, Haufe-Index 8801619, EFG 2016, 142).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA unter Berücksichtigung der in den Praxis-Hinweisen genannten Rechtsgrundsätze als unbegründet zurück. Das FA sei zwar für den Erlass des Feststellungsbescheids zuständig gewesen. Die Grunderwerbsteuer sei aber nach § 6a GrEStG nicht zu erheben. Die Umwandlung nach österreichischem Recht entspreche einer Umwandlung nach § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwG. An dem Umwandlungsvorgang seien – wie § 6a Satz 3 GrEStG voraussetze – die Klägerin und die A-GmbH als von der AG abhängige Gesellschaften beteiligt gewesen.
Unerheblich für die Anwendung des § 6a GrEStG sei der Umstand, dass das Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der AG erst durch den Umwandlungsvorgang begründet worden sei.
Hinweis
1. Beim Besprechungsurteil II R 21/19 (BFH/NV 2020, 456) und den ebenfalls in diesem Heft besprochenen weiteren Urteilen vom 21.8.2019 (II R 15/19, II R 16/19, II R 19/19, II R 20/19) und 22.8.2019 (II R 17/19, II R 18/19) handelt es sich um die ersten Sachentscheidungen des BFH zu § 6a GrEStG.
Der BFH legt die Vorschrift viel weiter als die Finanzverwaltung aus. Die Steuerpflichtigen haben in allen Fällen außer im Verfahren II R 17/19 (II R 58/14) obsiegt.
2. Der durch eine Abspaltung bewirkte unmittelbare und mittelbare Übergang sämtlicher Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften auf einen neuen Rechtsträger unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Es handelt sich um einen fiktiven Grundstückserwerb, dem kein den Anspruch auf Übereignung der Anteile begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.
3. § 6a GrEStG sieht unter bestimmten Voraussetzungen u.a. für einen solchen durch eine Abspaltung bewirkten fiktiven Grundstückserwerb die Nichterhebung der Grunderwerbsteuer vor. Die Nichterhebung der Steuer setzt voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG).
4. Der BFH ist bereits in dem an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchen (BFH, Beschluss vom 30.5.2017, II R 62/14, BFH/NV 2017, 1133, BStBl II 2017,...