Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Geschäftsbank mit Sitz in Finnland. Im Jahr 2001 bezog sie Leistungen in Form von SWIFT-Diensten von dem Unternehmen SWIFT mit Sitz in Belgien, deren Anteilsinhaber verschiedene Banken sind.
Die SWIFT-Dienste bestehen in der Übermittlung von Nachrichten zur Abwicklung des - überwiegend internationalen - Zahlungsverkehrs und Wertpapierhandels zwischen Banken mittels eines eigens betriebenen Datennetzes. Im internationalen Zahlungsverkehr werden dadurch Zahlungsaufträge von einer Bank zu einer anderen Bank übermittelt. Beim Wertpapierhandel werden durch die SWIFT-Dienste Nachrichten zwischen Banken, Wertpapiervermittlern, Kunden und der Wertpapierzentrale übermittelt.
In dem Verfahren war umstritten, ob die Klägerin - aufgrund der im vorliegenden Fall anzunehmenden Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers - auf den Bezug dieser Leistungen MwSt zu entrichten hatte oder ob die SWIFT-Leistungen als Finanzdienstleistungen nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 und 5 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. d bzw. Buchst. f MwStSystRL) als steuerfrei zu behandeln sind.
Entscheidung
Der EuGH hat zunächst - ohne ausdrücklich gefragt worden zu sein - (zutreffend) entschieden, dass die von SWIFT erbrachten Leistungen und die dafür von den Banken gezahlten Beträge einen umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch darstellen.
Weiter kommt der EuGH unter Bezug auf seine Urteile v. 5.6.1997, C-2/95 (SDC) und v. 13.12.2001, C-235/00 (CSC Financial Services) zu dem Ergebnis, dass die SWIFT-Leistungen keine steuerfreien Finanzdienstleistungen darstellen. Es handele sich weder um Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr nach Nr. 3, noch um Wertpapierumsätze im Sinne der Nr. 5 des Art. 13 Teil B Buchst. d der 6. EG-Richtlinie.
Im Rahmen der vorliegenden Entscheidung füllt der EuGH erstmalig seine früher entwickelte Leerformel des "im Großen und Ganzen eigenständigen Ganzen, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Steuerbefreiung erfüllt" in der Weise aus, dass zwei Voraussetzungen notwendig sind, um eine Steuerbefreiung externer Dienstleistungen nach den obigen Vorschriften anzunehmen.
Danach ist erstens zu prüfen, ob die Dienstleistung zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führen kann. Dies können nicht jegliche Änderungen sein, sondern es muss sich gerade um solche handeln, die den Änderungen vergleichbar sind, die durch den Zahlungsverkehr zwischen Banken oder die Wertpapierumsätze bewirkt werden. Danach können nur Dienstleistungen befreit sein, die eine Übertragung des Eigentums an Geld oder Wertpapieren zum Inhalt haben. Eben dies erfolgt bezogen auf den Vorlagefall jedoch allein durch die Finanzinstitute und nicht durch die SWIFT-Dienste.
Zweitens darf die Verantwortung des Dienstleistenden nicht auf technische Aspekte beschränkt sein. Dies ist bei SWIFT jedoch der Fall, da lediglich für die ordnungsgemäße Übermittlung von Nachrichten Verantwortung getragen wird. SWIFT-Dienste sind nach der Entscheidung des EuGH Dienstleistungen der elektronischen Nachrichtenübermittlung, mit denen Zahlungsanweisungen und Anweisungen, die Wertpapierumsätze betreffen, in geschützter und zuverlässiger Weise von einem Finanzinstitut an das andere übermittelt werden, während SWIFT keinen Zugang zum Inhalt der so übermittelten Nachrichten hat.
Selbst unter der Voraussetzung, dass die SWIFT-Dienste auf mehreren Märkten unerlässlich und die einzigen zur Verfügung stehenden sind, lässt sich jedoch aus der Tatsache allein, dass ein Element für einen steuerfreien Finanzumsatz unerlässlich ist, nicht die Befreiung dieses Leistungselements herleiten. Die rechtlichen und finanziellen Änderungen, die geeignet sind, einen steuerfreien Umsatz zu kennzeichnen, ergeben sich nach dem Urteil allein aus der tatsächlichen oder potenziellen Übertragung des Eigentums an Geld oder Wertpapieren, ohne dass es notwendig wäre, dass der so getätigte Umsatz Dritten entgegengehalten werden kann. Da die SWIFT-Dienste Dienstleistungen der elektronischen Nachrichtenübermittlung darstellen, deren einziger Zweck in der Übertragung von Daten besteht, erfüllen sie selbst keine der Funktionen eines nach Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 3 und 5 der 6. EG-Richtlinie steuerfreien Finanzumsatzes.
Hinweis
Die SWIFT-Dienste, die in Deutschland ansässige Banken von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen in Anspruch nehmen, sind - wie das EuGH-Urteil bestätigt - nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG am Sitz- oder Betriebsstättenort des die Leistung empfangenden Unternehmens steuerbar und steuerpflichtig. Die die Leistung empfangende Bank schuldet anstelle des ausländischen Unternehmens die Steuer (§ 13b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 UStG). Die geschuldete Steuer ist unter den Voraussetzungen des § 15 UStG als Vorsteuer abziehbar.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 28.07.2011, C-350/10