Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des Regeringsrätt (Schweden) ging es um die Frage, ob der Verkauf von Anteilen an einer Tochtergesellschaft ein steuerbarer Umsatz ist, bzw. ob ein solcher Verkauf bei gegebener Steuerbarkeit steuerfrei ist und welche Konsequenzen daraus für den Vorsteuerabzug hinsichtlich der Veräußerungskosten zu ziehen sind..
Die Klägerin ist die Muttergesellschaft eines Industriekonzerns. Sie erbringt für ihre Tochtergesellschaften entgeltliche und mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen wie u.a. Unternehmensführung, Verwaltung und Marketing. Im Rahmen einer Umstrukturierung des Konzerns beabsichtigte die Klägerin die Veräußerung einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft sowie einer Minderheitsbeteiligung an einer weiteren Gesellschaft, die früher eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Klägerin war. Zur Durchführung dieser Veräußerungen plante die Klägerin, mit Vorsteuern belastete Dienstleistungen betreffend die Bewertung, die Unterstützung bei den Verhandlungen sowie die Abfassung der Verträge in Anspruch zu nehmen. Fraglich war, ob der Klägerin aus den ihr entstandenen Aufwendungen im Zusammenhang mit den Anteilsveräußerungen ein Vorsteuerabzug zusteht.
Entscheidung
Aufgrund der ersten Vorlagefrage hatte der EuGH die Steuerbarkeit der Anteilsveräußerung zu klären. Er hat die Steuerbarkeit im vorliegenden Fall bejaht. Die Veräußerung von Anteilen an einem Tochterunternehmen durch einen Unternehmer, dessen Unternehmereigenschaft auf steuerbaren Dienstleistungen an dieses Tochterunternehmen beruht, ist ein steuerbarer Umsatz im Sinne des Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL). In der Übertragung der Anteilsrechte ist eine Dienstleistung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Spiegelstrich 1 der 6. EG-Richtlinie (ab1.1.2007: Art. 25 Buchst. a MwStSystRL) zu sehen. Diese Dienstleistung wird nach dem vorliegenden Sachverhalt auch entgeltlich erbracht. Die Veräußerung der Beteiligung erfolgt nach dem EuGH-Urteil auch im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin als Konzernmutter, so dass sie die Leistung als Unternehmer erbringt. Zweifel an dieser Sichtweise hätten allenfalls daraus resultieren können, dass nach der Rechtsprechung des EuGH der auf ein Wertpapier bezogene Umsatz "zum Zweck" des Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaft erfolgen muss, um eine wirtschaftliche Tätigkeit anzunehmen (vgl. EuGH, Urteil v. 6.9.1997, C-80/95 (Harnas & Helm)). Anders als der Erwerb oder das Halten einer Beteiligung dient die Veräußerung gerade nicht dem Eingreifen in die Verwaltung der Gesellschaft, sondern im Gegenteil der Beendigung dieser Tätigkeit. Der EuGH hat aber zum einen in der vom vorlegenden Gericht zitierten Rechtssache Fini H grundsätzlich zu erkennen gegeben, dass auch der Aufgabevorgang Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 der Sechsten Richtlinie ist (vgl. EuGH, Urteil v. 3.3.2005, C-32/03 (Fini H). Zum anderen ist der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen, dass im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Erwerb und Verkauf von Wertpapieren oder Beteiligungen dasselbe mehrwertsteuerliche Schicksal teilen. So hält der Gerichtshof die Steuerbefreiung des Artikels 13 Teil B Buchs. d Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie für anwendbar auf den Erwerb und Verkauf von Wertpapieren "im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit" (vgl. EuGH, Urteil v. 29.4.2004, C-77/01 (EDM). Zudem hat der EuGH in umgekehrter Konstellation festgestellt, dass die Veräußerung einer Beteiligung keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen kann, wenn dies auch für den Erwerb gelte (vgl. EuGH, Urteil v. 26.6.2003, C-442/01 (KapHag)).
Die Steuerbarkeit der Anteilsveräußerung hält der EuGH im vorliegenden Fall allerdings nicht für gegeben, wenn sie (was vom Vorlagegericht nicht problematisiert worden war) eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellt, die die Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Art. 19 MwStSystRL) als nicht steuerbar behandeln können (Deutschland macht von dieser Regelung in § 1 Abs. 1a UStG Gebrauch). Ob bei einem Anteilsverkauf wie dem des Vorlagefalles eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt, muss nach der EuGH-Entscheidung das Vorlagegericht prüfen. Die EU-Kommission hatte in dem Verfahren eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bejaht. Der Kommission zufolge sind der Verkauf sämtlicher Vermögenswerte einer Gesellschaft und der Verkauf sämtlicher Aktien an dieser Gesellschaft in funktioneller Hinsicht gleichwertig. Zweifel an dieser Auffassung sind aber bereits deshalb gerechtfertigt, weil eine Geschäftsveräußerung im Ganzen die Veräußerung wesentlicher Grundlagen des (eigenen) Unternehmens voraussetzt. Wenn eine hundertprozentige Beteiligung an einer Tochtergesellschaft veräußert wird, stellt dies jedoch die Veräußerung nur der Anteile an einem Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, nicht aber von dessen Vermögenswerten dar. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen wäre in...