Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob so genannte Backoffice-Tätigkeiten, die ein Unternehmen für ein Lebensversicherungsunternehmen übernimmt, unter den Begriff der Dienstleistungen i.S.d. Artikel 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, fallen. Im Streitfall hatte ein Unternehmen einen so genannten Backoffice-Vertrag mit einem Lebensversicherungsunternehmen abgeschlossen. Die Backoffice-Tätigkeiten bestanden insbesondere in der Entgegennahme neuer Lebensversicherungsanträge, der Bearbeitung von Policenänderungen und geschäftlichen Änderungen, der Ausstellung von Policen, der Kündigung von Versicherungen, der Bearbeitung von Ansprüchen, der Verwaltung von Policen, der Festsetzung und Auszahlung der Vermittlerprovision, dem Aufbau und der Verwaltung der Informationstechnologie, der Weitergabe von Informationen an das Lebensversicherungsunternehmen und die Vermittler sowie - dies jedoch nicht im Namen des Lebensversicherungsunternehmens - der Berichterstattung gegenüber den Policeninhabern und sonstigen Dritten (z. B. den Finanzbehörden). Im Übrigen traf das mit den Backoffice-Tätigkeiten beauftragte Unternehmen normaler Weise die Entscheidungen in Bezug auf den Abschluss einer Lebensversicherung und band damit das Versicherungsunternehmen. Nahezu alle mit dem Erbringen der verschiedenen Tätigkeiten zusammen hängende Kontakte mit den Vermittlern wurden von dem mit den Backoffice-Tätigkeiten beauftragten Unternehmen übernommen.
Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass die streitigen Backoffice-Tätigkeiten nicht als von Versicherungsmaklern und -vertretern erbrachte Dienstleistungen im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie anzusehen sind. Hierbei hat der EuGH im Wesentlichen auf sein Urteil v. 20.11.2003, C-8/01 (Assurandor-Societetet) zurückgegriffen. Nach diesem Urteil gehören zu den Dienstleistungen von Versicherungsmaklern und -vertretern nur Dienstleistungen der Makler und Vertreter, die zugleich mit dem Versicherer und den Versicherten in Verbindung stehen. Versicherungsmakler im Sinne dieser Vorschrift sind Vermittler. Der Begriff der Versicherungsmakler bzw. Versicherungsvertreter i.S.d. Richtlinie 77/92 EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des Versicherungsmaklers (ABl. EG 1977 Nr. L 26/14) ist nicht notwendiger Weise wie die vergleichbaren Begriffe in der 6. EG-Richtlinie auszulegen. Nach den weiteren Entscheidungsgründen tritt die Mitwirkung bei der Erfüllung und Verwaltung von Versicherungsverträgen nach Artikel 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/92 EWG zu den Tätigkeiten hinzu, eine Verbindung zwischen den Versicherungsnehmern und den Versicherungsunternehmen herzustellen und den Abschluss der Verträge vorzubereiten.
Daraus musste für den hier entschiedenen Fall folgen, dass rein verwaltungstechnische Arbeiten im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen nicht unter die Steuerbefreiung fallen können. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie Bestandteil einer echten Vermittlungstätigkeit und einer entsprechenden Geschäftsbeziehung zu einem potentiellen Versicherungsnehmer sind.
Hinweis
Wenn auch nach dem EuGH-Urteil, v. 20.11.2003 in der Rechtssache C-8/01 offen geblieben ist, ob die Definition eines Versicherungsmaklers bzw. Versicherungsvertreters nach Artikel 2 der Richtlinie 77/92 EWG vom 13. Dezember 1976 auch für Artikel 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie beachtlich ist, bleibt jetzt festzuhalten, dass eine versicherungsvermittelnde Tätigkeit im Wesentlichen darin besteht, Neukunden zu suchen und sie mit dem Versicherer zusammen zu bringen, also Rechtsbeziehungen sowohl zu dem Versicherungsnehmer als auch dem Versicherungsgeber zu entfalten.
Eine solche Vermittlungstätigkeit war nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht gegeben. Vielmehr handelte es sich im Prinzip nur um die Überlassung von Arbeitskräften und Verwaltungsmitteln und um unterstützende Dienstleistungen bei der Ausübung von Versicherungstätigkeiten, die nicht (auch nicht als Versicherungsumsätze selbst - insoweit fehlte es an dem Kriterium, dass eine vertragliche Beziehung mit dem Versicherungsnehmer eingegangen wird) unter die Steuerbefreiung nach Artikel 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-Richtlinie fallen können.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 03.03.2005, C-472/03