Rz. 12
Die Zielfunktion der Steuerbilanzpolitik bildet die relative Minimierung der Steuerbelastung. Letztere resultiert aus der Multiplikation der jeweiligen Bemessungsgrundlage mit dem dazugehörigen (durchschnittlichen) Steuersatz. Da die Festlegung der Höhe des (Ertrag-)Steuersatzes im Regelfall außerhalb der Einflusssphäre eines einzelnen Unternehmens liegt, beschränkt sich das steuerbilanzpolitische Instrumentarium zur Steueroptimierung auf die Beeinflussung der Bemessungsgrundlage. Dabei ist zu beachten, dass wegen des Grundsatzes der Bilanzidentität und des daraus resultierenden Bilanzzusammenhangs einer Verringerung der Bemessungsgrundlage in einer Periode (Gewinnnachverlagerung) eine entsprechende Erhöhung in einer späteren Periode bzw. in späteren Perioden gegenüberstehen wird (sog. "Bilanzschere"). Aufgrund dieser gegenläufigen Effekte lassen sich durch Steuerbilanzpolitik keine Bemessungsgrundlagenvorteile erzielen, sodass auch nicht die Summe der zu versteuernden Gewinne während der Lebensdauer eines Unternehmens beeinflusst werden kann (Grundsatz der Totalperiodenidentität), sondern lediglich deren zeitliche Verteilung (Bemessungsgrundlageneffekt).
Rz. 13
Da der Gewinnausweis durch Steuerbilanzpolitik grundsätzlich in nachfolgende Perioden verlagert wird (Zeiteffekt), fallen die zu leistenden Steuerzahlungen erst zu späteren Zeitpunkten an, sodass ein zinsloser Kredit durch den Staat gewährt wird (Steuerstundungseffekt). Simultan resultiert eine Liquiditätssteigerung in der laufenden Periode und die Rendite aus der Anlage der vorläufigen Steuerersparnis bewirkt indirekt eine Minderung der Steuerlast (Liquiditäts- und Zinsvorteil).
Rz. 14
Während der steuerliche Gewinn bei Kapitalgesellschaften letztlich einem proportionalen Körperschaftsteuersatz unterliegt, besteht bei Einzelunternehmern und Gesellschaftern einer Personengesellschaft (natürliche Personen) die Progressionswirkung der Einkommensteuer (Steuersatzeffekt). Sofern die Gewinne einer Periode mit höheren Einkünften in spätere Perioden mit geringeren Einkünften verlagert werden können und auf diese Weise ein in allen Perioden möglichst gleich hoher Gewinn zu versteuern ist ("Gesetz der Normallinie" i. S. v. Vogt), lässt sich hierdurch die Steuerbelastung eines bestimmten Betrachtungszeitraums insgesamt senken und eine endgültige Steuerersparnis erzielen.
Rz. 15
Der Bemessungsgrundlageneffekt, der Zeiteffekt sowie der Steuerstundungseffekt setzen eine maximale Gewinnverschiebung in zukünftige Perioden voraus, während der Steuersatzeffekt auf einer Gewinnnivellierung basiert. Eine allein auf den Steuersatzeffekt ausgerichtete Steuerbilanzpolitik berücksichtigt als einzige Zielgröße die Summe der Steuerzahlungen. Erst mittels Dynamisierung der Zielsetzung durch zusätzliche Berücksichtigung der Zeitkomponente wirken Zeit- und Steuersatzeffekt zusammen. Nur auf diese Weise können die bilanzpolitischen Maßnahmen so gesteuert werden, dass daraus der maximale Steuervorteil erlangt wird ("Problem des optimalen Steuerbilanzgewinnpfades"). Auch eine Änderung des Steuersatzes bzw. des Steuertarifs innerhalb der Totalperiode kann unterschiedliche Auswirkungen auf das Zusammenspiel von Zeit- und Steuersatzeffekt besitzen. Findet eine Senkung des Steuersatzes statt, bestärken sich Zeit- und Steuersatzeffekt, sodass die in zukünftige Perioden verlagerte Steuerbelastung insgesamt niedriger ausfällt. Steigt der Steuersatz jedoch, wirkt der Steuersatzeffekt dem Zeiteffekt entgegen. Die Höhe der daraus noch resultierenden Steuerentlastung ist von der jeweiligen Stärke der gegenläufigen Effekte abhängig und kann unter Umständen in eine künftige Steuerbelastung münden.
Rz. 16
Im Zuge der dynamischen Zielsetzung einer relativen Steuerminimierung zählt nicht nur die Ermittlung der (temporären) Steuervermeidung, sondern es findet auch Berücksichtigung, inwiefern die aufgrund der Steuerstundung zur Verfügung stehenden zusätzlichen Mittel Zinserträge generieren. Aufgrund der mehrperiodischen Planungsphase erfordert die Vergleichbarkeit verschiedener bilanzpolitischer (Alternativ-)Maßnahmen deren Diskontierung auf einen einheitlichen Bezugszeitpunkt. Den simultanen Einbezug von Zeit- und Steuersatzeffekt in die steuerbilanzpolitischen Überlegungen gewährleisten dabei 2 Diskontierungsmodelle, die jedoch unterschiedliche Grundüberlegungen verfolgen. Bei der Nettokapitalwertmaximierung wird davon ausgegangen, dass die Gesellschafter eines Unternehmens in erster Linie an den ihnen nach Steuerzahlungen zufließenden Gewinnen interessiert sind. Dabei gilt als Zielfunktion die Maximierung der Summe der Barwerte des zugeflossenen Einkommens. Das monetäre Ziel der Nettokapitalwertmaximierung kann wiederum unterschieden werden in die Ziele "Maximierung des Endvermögens", "Maximierung der für Konsumzwecke zur Verfügung stehenden Mittel" sowie "Wohlstandsmaximierung", wobei Letztere eine Kombination der beiden zuvor genannten Zie...