Leitsatz
Die Steuer entsteht auch dann mit der Leistungsausführung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG), ohne dass es zu einer Steuerberichtigung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 1 UStG) kommt, wenn der Unternehmer für die Errichtung einer Photovoltaikanlage mit dessen Betreiber vereinbart, dass das Entgelt hierfür nur insoweit geschuldet wird, als es durch Einnahmen aus der Stromeinspeisung beglichen werden kann (Anschluss an das BFH-Urteil vom 01.02.2022 – V R 37/21 (V R 16/19), BFHE 275, 460).
Normenkette
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 1 und 2, Buchst. b, § 17 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG, Art. 14 Abs. 2 Buchst. b, Art. 63, Art. 64 Abs. 1, Art. 90 Abs. 1 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GbR, verpflichtete sich gegenüber A, als Generalunternehmerin eine Fotovoltaikanlage zu errichten. Von der vereinbarten Gesamtvergütung (1.258.000 EUR zuzüglich USt) waren nach der Montage aller Module auf den Modultischen 450.000 EUR, nach der Installation der Wechselrichterstation mit Vorbereitung für den Netzanschluss weitere 450.000 EUR und nach einem Probebetrieb von zehn Monaten die restlichen 358.000 EUR zu zahlen. Die Teilbeträge sollten jeweils nur insoweit zur Zahlung fällig werden, als sie von A aus den laufenden Einnahmen der Stromeinspeisung beglichen werden konnten.
Die Klägerin stellte A 2011 für die noch im Jahr 2011 ausgeführte Montage aller Module auf den Modultischen 450.000 EUR zuzüglich USt in Rechnung. Hierauf gingen am 21.12.2011 auf dem Konto der Klägerin 77.350 EUR ein.
Die Klägerin gab in ihrer USt-Erklärung für das Jahr 2011 Umsätze zu 19 % i.H.d. vereinnahmten Entgelts von (netto) 65.000 EUR an. Das FA ermittelte die Steuer nach vereinbarten Entgelten (450.000 EUR netto) und setzte für das Jahr 2012 eine höhere USt fest.
Die Klägerin stellte im Jahr 2012 über die Installation der Wechselrichterstation sowie nach dem Probebetrieb weitere Rechnungen aus. In ihrer USt-Erklärung für das Jahr 2012 berücksichtigte die Klägerin jedoch nur Umsätze zu 19 % i.H.d. vereinnahmten Entgelts von (netto) 52.000 EUR. Auch hier setzte das FA die USt für das Jahr 2012 nach den vereinbarten Entgelten i.H.v. (netto) 808.000 EUR fest. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG (FG München, Urteil vom 25.10.2018, 14 K 2375/16, Haufe-Index 12699442, EFG 2019, 485) wies die Klage ab. Die Klägerin habe ihre Umsätze mit Leistungsausführung (und damit unabhängig von der Vereinnahmung) zu versteuern.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Die Entscheidung erging im Rahmen einer Videokonferenz.
Hinweis
1. Mit dem Besprechungsurteil bestätigt der BFH erneut, dass die Sollbesteuerung der vom Unionsrecht vorgesehene Regelfall ist (vgl. auch BVerfG v. 20.3.2013, 1 BvR 3063/10, BFH/NV 2013, 1213, UR 2013, 468, Rz. 32).
a) Der BFH hatte die Frage (mittelbar) dem EuGH vorgelegt (BFH v. 7.5.2020, V R 16/19, BFH/NV 2020, 1029, BStBl II 2021, 884).
b) Der EuGH (EuGH v. 28.10.2021, C-324/20, X-Beteiligungsgesellschaft, BFH/NV 2022, 96, MwStR 2021, 972) hatte daraufhin ausgeführt, dass es unerheblich ist, dass ein Steuerpflichtiger in bestimmten Fällen zur Vorfinanzierung zu entrichtender Mehrwertsteuer gezwungen sein kann. Die Rolle der Unternehmer reduziert sich nicht darauf, Steuereinnehmer zu sein, sondern sie trifft nach Art. 193 MwStSystRL die Pflicht zur Entrichtung der Steuer, wenn sie Gegenstände steuerpflichtig liefern oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringen, ohne dass diese Pflicht vom vorherigen Erhalt der Gegenleistung oder der Steuer, die für die erbrachte Lieferung oder Leistung entrichtet wird, abhängt.
c) Der BFH folgt dieser Auffassung (BFH v. 1.2.2022, V R 37/21 (V R 16/19), BFH/NV 2022, 875, BStBl II 2022, 860). Das Besprechungsurteil weist die dagegen erhobene Kritik (Hummel, MwStR 2022, 606; Stadie, UR 2022, 1 und 490) zurück.
2. Daneben führt das Besprechungsurteil aus, dass bei der Errichtung einer Fotovoltaikanlage die Modulmontage, die Wechselrichterinstallation und der Probebetrieb Teilleistungen sein können (aber nicht müssen). Um Teilleistungen handelt es sich (nur), wenn entsprechende vertragliche Vereinbarungen getroffen worden sind. Dies hat Bedeutung für § 12 Abs. 3 UStG i.d.F. ab dem 1.1.2023.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 28.9.2022 – XI R 28/20