5.3.1 Rechtswidrig ermittelte Tatsachen
In einem Streitfall hatte die Finanzbehörde Kenntnis erlangt von Steuerdaten aus einer CD betreffend eine Stiftung in Liechtenstein. Der Steuerpflichtige wehrte sich "Händen und Füßen" gegen die Verwertung der möglicherweise rechtswidrig ermittelten Tatsachen. Hierzu hat ein Finanzgericht folgende Klarstellung vorgenommen:
Bei der Frage, ob rechtswidrig ermittelte Tatsachen einem Verwertungsverbot unterliegen oder nicht, ist zu unterscheiden zwischen verfahrensrechtlichen Mängeln, die grundsätzlich nicht zu einem endgültigen Verwertungsverbot führen und sog. qualifizierten materiell-rechtlichen Verstößen. Ein qualifiziertes materielles Verwertungsverbot liegt vor, wenn die Ermittlung der Tatsachen einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Steuerpflichtigen verletzt hat oder wenn die Kenntnis der Tatsachen in strafbarer Weise von den Finanzbehörden erlangt worden ist. Nur die so ermittelten Tatsachen sind ohne Ausnahme unverwertbar. Im Besteuerungsverfahren besteht kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind. Bei fehlenden anderweitigen Anhaltspunkten dürfen Zinsen der Höhe nach auf der Grundlage nachvollziehbarer Zinssätze im Wege der Schätzung ausnahmsweise auch unter der Annahme bestimmt werden, dass der Steuerpflichtige sein erworbenes Vermögen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht für eigene Zwecke verwendet hat. Das FG kann Kapitaleinkünfte der Höhe nach schätzen, wenn es davon überzeugt ist, dass die Angaben zu einer Stiftung nach Liechtensteiner Recht zutreffen, die dem beklagten FA mit dem Ankauf einer Daten-CD durch den Fiskus zugänglich geworden sind, dass das von der Stiftung gehaltene Wertpapiervermögen den Klägern zuzurechnen ist, dass die Kläger Einkünfte aus diesem Kapitalvermögen bezogen haben und dass die Kläger insoweit Einkommensteuer hinterzogen haben, ohne dass sie der ihnen obliegenden Pflicht zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung nachgekommen sind.
5.3.2 Schätzungsbefugnis
In einem weiteren Fall betr. den Ankauf einer Steuer-CD betr. Liechtensteinische Landesbank hatte der Steuerpflichtige sowohl im Besteuerungs- als auch im Steuerstrafverfahren dezidiert bestritten, dass er überhaupt Inhaber dieses Kontos ist. Hier hat ein Finanzgericht klargestellt, dass es die ausschließliche Beweislast des Finanzamts trifft, ob der Steuerpflichtige ein Auslandskonto hat. In den Leitsätzen sind folgende Ausführungen bzw. Klarstellungen gemacht worden:
Zwar spricht eine allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass hohe Geldbeträge, wenn sie nicht alsbald benötigt werden, zins- und ertragsbringend angelegt werden. Dies allein begründet aber im Allgemeinen noch keine Schätzungsbefugnis des FA für den Ansatz von Kapitaleinkünften. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Umstände, die nahe legen, dass derartige Beträge tatsächlich zinsbringend angelegt worden sind. Die Finanzbehörden tragen für die Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände der Einnahmeerzielung die objektive Beweislast. Daran ändert auch die in § 90 Abs. 2 AO den Steuerpflichtigen allgemein auferlegte erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nichts, wenn dem FA bereits auf der Stufe vorher ein zur Überzeugungsbildung des Gerichts ausreichender Nachweis für eine bestehende Geschäftsbeziehung des Steuerpflichtigen zu einer ausländischen Bank nicht gelungen ist. Es besteht keine Verpflichtung eines Steuerpflichtigen, nachzuweisen, dass er im Ausland kein Konto unterhält. Gibt es keinerlei tatsächliche Feststellungen oder anderweitige Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger ein ausländisches Depot zuzuordnen wäre und er hieraus nicht erklärte Kapitaleinkünfte erzielt hätte, so schließt es der Grundsatz "in dubio pro reo" aus, die gerichtliche Schätzung hinterzogener Steuern entsprechend den allgemeinen Grundsätzen im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten auf Wahrscheinlichkeitserwägungen, d. h., auf ein reduziertes Beweismaß, zu stützen.
Ergänzend hierzu hat der BFH folgende ergänzende Klarstellung vorgenommen:
Allein der Umstand, in der Vergangenheit über ein ausländisches Wertpapierdepot verfügt zu haben, reicht im Fall der Auflösung dieses Depots auch unter Berücksichtigung eines verminderten Beweismaßes wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht aus, dem Steuerpflichtigen den entsprechenden Kapitalstamm in den Folgejahren unverändert als Grundlage der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen. Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung gemäß §§ 169 Abs. 2 Satz 2, 370 AO sind dem Grunde nach auch bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Ein reduziertes Beweismaß ist nicht zulässig. Dies gilt auch für die Verletzung der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten gemäß § 90 Abs. 2 AO.