Nicht nur die Finanzämter, sondern auch die Steuerfahndung sowie die BuStra-Stellen senden an Bankkunden die Aufforderung zu einer Selbstanzeige. Die Schreiben haben je nach Absender unterschiedliche Bedeutung:
6.1 Schreiben vom Veranlagungsfinanzamt
Hat der Mandant von dort ein Schreiben erhalten, ist die Selbstanzeige noch möglich. Genau das wünschen sich die Absender von Amts wegen. Wird das Schreiben nicht beantwortet (also keine Selbstanzeige erstattet), hat das Finanzamt folgende Optionen:
- Eine Schätzung der Einnahmen auf Grundlage der vorliegenden Belege. Fällt sie günstig aus, zahlt der Steuerpflichtige und ist möglicherweise auf der sicheren Seite, falls der Fall nicht an die Steuerfahndung bzw. an die BuStra-Stelle abgegeben wird. Ist sie zu hoch, kann man Einspruch einlegen. Dann sollten aber Belege vorhanden sein (eventuell bei der Bank anfordern; Bearbeitungszeit kann mehrere Wochen und Monate dauern), die den Einspruch stützen. Manche Berater beantragen nicht nur Einspruch, sondern auch die Aussetzung der Vollziehung. Diese wird regelmäßig bei fehlender Begründung des Einspruchs abgelehnt. Dann kann ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO unmittelbar beim FG gestellt werden. Dieser Antrag berechtigt automatisch zur Akteneinsicht im Finanzgerichtsverfahren, sodass der Berater das Kontrollmaterial spätestens jetzt in jedem Fall zur Kenntnis bekommt. Er kann sich dann in aller Ruhe mit den Schätzungsparametern auseinander setzen.
- Anmeldung einer Betriebsprüfung;
- Rückgabe des Falles an die Steuerfahndung, die sich zu einer Fahndungsprüfung entschließen könnte;
- Einstellung des Verfahrens, z. B. weil keine steuerpflichtigen Einkünfte auf dem ausländischen Konto erzielt werden, z. B. noch nicht fällig gewordene Zero-Bonds oder Verluste durch Fehlspekulationen zu beklagen sind.
Durchsuchungsmaßnahmen bei Bankkunden sind zwischenzeitlich auf Grund der Vielzahl der Fälle (Überlastung der Steuerfahndung) äußerst selten geworden.
Der Erfolg einer Durchsuchung hängt davon ab, ob Belege gefunden werden. Sind also keine Belege vorhanden, minimiert der Steuerpflichtige automatisch die Angriffsflächen. Somit besteht für die Finanzverwaltung die Möglichkeit, eine Schätzung vorzunehmen. Sie muss jedoch den finanzgerichtlichen Standards standhalten.
Ferner ist die Finanzverwaltung beweispflichtig, wer der wirtschaftliche Eigentümer des Schwarzgelddepots ist. Dies kann insbesondere zu Schwierigkeiten führen, wenn z. B. bei einer Durchsuchung in einer Firma oder in Privaträumen Wertpapierauszüge ohne Namensnennung gefunden werden. Dann ist die Finanzverwaltung beweispflichtig, wer Inhaber der Einkunftsquelle ist. Die Zurechnung der Einkunftsquelle als solche kann nicht geschätzt werden.
Im vorliegenden Fall wurde in den Privaträumen einer Gesellschafter-Geschäftsführer-GmbH ein anonymes Wertpapierdepot gefunden. Um Gewerbesteuer auf die Zinsen zu bekommen, wurde die Einkommensquelle der GmbH hinzugeschätzt. Eine Auswahlschätzung der Einkunftsquelle hat der BFH für unzulässig erklärt.
Die Kooperation zahlreicher Banken mit der Steuerfahndung bringt in der Praxis 2 bis 3 Belege über Geld- oder Wertpapierüberweisungen pro Kunde. Das Finanzamt weiß dann zwar, dass zu irgendeiner Zeit ein Betrag X überwiesen wurde. Die Anlage oder die Höhe der Zinsen der früheren Jahre sind jedoch nicht bekannt. Die Beträge müssen mühsam ermittelt werden. Und viele Jahre nach dem Transfer hat der Fiskus nahezu keine Chance mehr herauszufinden, ob und wie viel Zinsen angefallen sind.
Die Finanzbeamten sind bei fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen dann frustriert und operieren teilweise mit fraglichen Schätzungen. Dabei werden teilweise Sicherheitszuschläge von 25 % bis 50 % auf den gefundenen Vermögensstamm vorgenommen. Darüber hinaus werden anhand der Zinstabellen der OECD Zinsen hinzugeschätzt. Hierbei unterstellt man, dass der Kapitalanleger – bei fehlenden sonstigen Anhaltspunkten – langfristig laufende Bundesanleihen erworben hat.
Dieses Procedere ist vom BFH ausdrücklich verworfen worden. Der strafrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo" ist auch im Steuerfestsetzungsverfahren zu beachten. Dies schließt aus, die Schätzung der hinterzogenen Steuern – entsprechend den allgemeinen Grundsätzen im Fall der Verletzung von Mitwirkungspflichten – auf Wahrscheinlichkeitserwägungen, d. h. auf ein reduziertes Beweismaß zu stützen und an der oberen Grenze des für den Einzelfall zu beachtenden Schätzrahmens auszurichten. Erforderlich ist vielmehr, dass das FG auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens von der Höhe der Steuerhinterziehung überzeugt ist.
Annahme von Schätzungen
Bei der Annahme von Schätzungen – insbesondere in Jahren, für die die verlängerte Festsetzungsverjährung wegen Steuerhinterziehung angenommen werden muss –, sollte sich der Steuerpflichtige auf pauschale Hinzuschätzungen mit Sicherheitszuschlägen in keiner Weise einlassen. Nur für die Jahre, die noch nicht der qualifizierten Festsetzungsfrist von 5 bzw. 10 Jah...