Leitsatz

Rügt ein Steuerpflichtiger, der nicht zu den Abgeordneten des Deutschen Bundestags gehört, im finanzgerichtlichen Verfahren eine gleichheitswidrige Begünstigung der Abgeordneten aufgrund der diesen gewährten steuerfreien Kostenpauschale, so kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 12 S. 1, § 22 Nr. 4 S. 2 EStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG, § 12 Abs. 1 und 2 AbgG

 

Sachverhalt

Die Kläger wurden als Ehegatten für das Streitjahr (2000) zusammen zur ESt veranlagt. Sie erzielten im Streitjahr unter anderem Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Richter am FG bzw. als Ärztin. Das FA setzte bei der ESt-Veranlagung bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit entsprechend der ESt-Erklärung Werbungskosten i.H.v. rd. 23 000 DM an, die im Wesentlichen aus Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, für Arbeitsmittel und für Telefon bestanden.

Gegen den ESt-Bescheid für das Streitjahr legten die Kläger Einspruch ein und begehrten u.a. die Anerkennung von Berufsausgaben i.H.v. jeweils einem Drittel der erzielten Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit, um eine Gleichbehandlung mit den Abgeordneten des Deutschen Bundestags zu erreichen. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Münster, Gerichtsbescheid vom 23.01.2006, 10 K 2114/04 E, Haufe-Index 1492825).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Kläger als unbegründet zurück. Dem Kläger stehe die steuerfreie Kostenpauschale nicht zu.

Eine Vorlage des Rechtsstreits zur Überprüfung der Kostenpauschale der Abgeordneten scheide aus, da es hierauf für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen ESt-Bescheids nicht ankomme. Der Gesetzgeber sei aus rechtlichen als auch aus offenkundig tatsächlichen Gründen daran gehindert, für die Kläger bei einer Neuregelung der steuerfreien Kostenpauschale eine günstigere Regelung zu schaffen. Für den Fall, dass die Kostenpauschale nicht realitätsgerecht ausgestaltet sei, komme deren Ausweitung auf die Kläger nicht in Betracht, da der Gesetzgeber die Pauschale dann allenfalls auf die tatsächlich entstandenen mandatsbedingten Aufwendungen der Abgeordneten beschränken dürfe.

 

Hinweis

1. Bundestagsabgeordnete erhalten nach § 12 Abs. 2 S. 1 AbgG im Rahmen ihrer Amtsausstattung eine Kostenpauschale zur Abgeltung bestimmter mandatbedingter Aufwendungen, die als Aufwandsentschädigung nach § 3 Nr. 12 S. 1 EStG steuerfrei ist. Der Zweck dieser Kostenpauschale der Bundestagsabgeordneten (derzeit 3 782 Euro pro Monat) besteht darin, die den Abgeordneten typischerweise entstehenden Aufwendungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des verfassungsrechtlich geregelten Abgeordnetenstatus zu erstatten. Bei der Kostenpauschale handelt es sich um eine Gesamtpauschale, mit der die in § 12 Abs. 2 S. 1 AbgG aufgezählten Kosten zusammengefasst werden. Die Kostenpauschale wird den Abgeordneten insbesondere für den Ausgleich von Bürokosten, Mehraufwendungen am Sitz des Bundestags und bei Reisen, Fahrtkosten für Fahrten in Ausübung des Mandats sowie sonstigen mandatsbedingten Kosten wie Aufwendungen für Repräsentation und Wahlkreisbetreuung gewährt.

2. Die Kläger hatten die Meinung vertreten, es verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass die Bundestagsabgeordneten in den Genuss der vorerwähnten Kostenpauschale kommen, ohne den tatsächlichen Erwerbsaufwand nachweisen zu müssen. Die Kläger bemängelten, ihnen (und auch anderen Steuerzahlern) werde diese Pauschale vorenthalten. Sie verlangten deshalb, dass in ihrer ESt-Veranlagung ein der Kostenpauschale entsprechender Betrag (kostenunabhängig und ohne Nachweis) als Erwerbsaufwand (Werbungskosten) anerkannt werde. Es ist offenkundig, dass den Klägern ein solcher "Freibetrag" ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht zustehen kann. Den Klägern ging es im Kern darum, die kostenfreie, allerdings mit Abgeltungswirkung versehene Kostenpauschale der Abgeordneten zur verfassungsrechtlichen Überprüfung zu stellen.

3. Damit die Kläger durch einen entsprechenden Ansatz eines pauschalen Werbungskostenbetrags in die Begünstigung der Abgeordneten hätten einbezogen werden können, hätte es einer Vorlage des Rechtsstreits an das BVerfG bedurft, damit dieses die Verfassungsmäßigkeit der steuerfreien Kostenpauschale hätte überprüfen können. Davon hat der BFH indessen abgesehen.

4. Zur Klarstellung: Der BFH hat nicht darüber entschieden, ob die steuerfreie Kostenpauschale der Abgeordneten verfassungsrechtlichen Kriterien genügt. Nach seiner Auffassung kam es, um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen ESt-Bescheids der Kläger zu beurteilen, nicht auf die Verfassungsmäßigkeit der Kostenpauschale an. Der BFH befand, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Pauschale in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich sei; eine Vorlage an das BVerfG komme nicht in B...

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