Leitsatz
Leistungen aus einem Heisenberg-Stipendium können gemäß § 3 Nr. 44 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sein.
Normenkette
§ 3 Nr. 44, § 18, § 22 Nr. 1 Satz 1, Satz 3 Buchst. b EStG
Sachverhalt
Die Klägerin bezog nach einer Lehrstuhlvertretung ein sog. Heisenberg-Stipendium. Dies soll Wissenschaftlern, die alle Voraussetzungen für die Berufung auf eine Dauer-Professur erfüllen, ermöglichen, sich auf eine wissenschaftliche Leitungsposition vorzubereiten und in dieser Zeit weiterführende Forschungsthemen zu bearbeiten. Die Klägerin erklärte die Einnahmen aus dem Stipendium als steuerfreie Einkünfte. Das FA nahm dagegen steuerpflichtige Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit an. Die Klage der Klägerin hatte Erfolg (Sächsisches FG, Urteil vom 11.3.2021, 8 K 1264/20, Haufe-Index 15293338).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA gegen das klagestattgebende Urteil des FG aus den dargestellten Gründen zurückgewiesen.
Hinweis
Der Besprechungsfall reiht sich ein in eine lange Reihe vorangegangener Entscheidungen zur Steuerbarkeit bzw. Steuerfreiheit von Stipendien. Der erkennende VIII. Senat hatte zuletzt in seinem Urteil (BFH, Urteil vom 24.2.2015, VIII R 43/12, BStBl II 2015, 691, BFH/NV 2015, 1170, BFH/PR 2015, 325) grundlegende Fragen geklärt. Darüber geht die neue Entscheidung nicht wesentlich hinaus.
1. Die Frage, ob die empfangenen Leistungen steuerbar waren, also einer Einkunftsart unterfielen (§ 18, § 19, § 22 EStG), hat der BFH offengelassen, da jedenfalls die Voraussetzungen für ihre Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG vorlagen.
2. Nach § 3 Nr. 44 Sätze 1 und 2 EStG muss das Stipendium (vereinfacht) aus öffentlichen Mitteln gezahlt oder von einer von der KSt befreiten gemeinnützigen Körperschaft u.a. (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) gewährt werden und bestimmten Zwecken dienen (Förderung der Forschung oder der wissenschaftlichen oder künstlerischen Aus- oder Fortbildung). Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt, da die DFG als gemeinnützige private Einrichtung mit dem Heisenberg-Stipendium die angegebenen Zwecke verfolgt.
3. Nach § 3 Nr. 44 Satz 3 EStG ist die Steuerbefreiung in sachlicher Hinsicht weiter davon abhängig, dass
- die Stipendien einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden (§ 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. a EStG),
- der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist (§ 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. b EStG).
a) Den erforderlichen Bedarf hat der BFH in Bezug auf die für den Lebensunterhalt bestimmten Mittel nicht nach dem Existenzminimum, sondern nach dem angemessenen Bedarf i.S.d. Unterhaltsrechts bemessen. Er bejaht danach die Erforderlichkeit indiziell schon dann, wenn das Stipendium die Höhe der zuvor bezogenen Einkünfte nicht übersteigt. Diese Rechtsprechung hat der BFH im Besprechungsurteil noch einmal bekräftigt.
b) Unerheblich war dabei, dass im Stipendium ein Aufschlag zum Ausgleich einer eventuellen Steuerpflicht enthalten war, denn dieser muss nach den Feststellungen des FG zurückgezahlt werden, wenn keine Steuerpflicht besteht, sodass es zu einer Doppelbegünstigung nicht kommen konnte.
c) Die Erforderlichkeit des Sachkostenanteils hat der BFH letztlich ohne tatsächliche Feststellung "bei typisierender Betrachtung" angenommen. Das ist sehr großzügig, auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass bei der DFG als Stipendiengeber der Sachkostenanteil angemessen sein wird und das Stipendium den Vergaberichtlinien entsprach.
d) Ob der Stipendiat eine (für die Steuerfreiheit schädliche) wissenschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat, hängt davon ab, ob die von ihm zu erbringende Leistung über die Verwirklichung des Förderzwecks hinausgeht und für den Stipendiengeber einen eigenen wirtschaftlichen Wert hat. Diese Formulierung, die der BFH einem einschlägigen Kommentar entnimmt, stellt eine Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung dar. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt. Es schadet nicht, dass mit dem Stipendium die Verpflichtung verbunden ist, die Arbeitskraft auf die wissenschaftliche Arbeit zu verwenden und darüber zu berichten sowie ggf. Lehrveranstaltungen abzuhalten, um die Lehrbefugnis aufrechtzuerhalten. Diese Verpflichtungen dienen sämtlich der Erreichung des Förderungszwecks und haben für den Stipendiumsgeber keinen eigenen wirtschaftlichen Wert.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.10.2023, VIII R 11/22BFH, Urteil vom 24.10.2023 – VIII R 11/22