Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Damit der Abnehmer einer innergemeinschaftlichen Lieferung erkennen kann, dass er den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern muss, muss der Lieferer in seiner Rechnung zumindest umgangssprachlich auf eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung hinweisen. Vertrauensschutz nach § 6 a Abs. 4 UStG kommt nicht in Betracht, wenn die CMR-Frachtbriefe infolge der von der Rechnungsanschrift abweichenden Lieferanschrift und des wiederum abweichenden Bestätigungsstempels widersprüchlich sind.
Sachverhalt
Die klagende GmbH machte 2008 bis 2011 hohe Vorsteuern aus dem Kauf von Mobiltelefonen geltend. Als Ausgangsumsätze erklärte sie steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen von Mobiltelefonen. Nach Auffassung des Finanzamts seien die oben genannten Ausgangslieferungen jedoch steuerpflichtig unter anderem wegen des fehlenden Nachweises, dass die Lieferungen das Inland tatsächlich verlassen hätten. Teils stehe der Abnehmer der Waren nicht fest. Laut der niederländischen Steuerbehörden handele es sich bei den Abnehmern um sogenannte missing trader. Der Vorsteuerabzug sei der Klägerin zu versagen, da die vermeintlichen Abnehmer das wirtschaftliche Eigentum an den an vorgeblich an die Klägerin gelieferten Mobiltelefonen nicht innegehabt hätten. Die abgerechneten Geräte seien mehrfach gehandelt worden. Obwohl ein pflichtgemäßer Kaufmann angesichts der erheblichen Zahl der festgestellten Mehrfachdurchläufer die Geschäftsbeziehung zu dem vermeintlichen Lieferanten abgebrochen hätte, habe die Klägerin das "Liefervolumen" sogar noch erhöht.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG hat das Finanzamt zu Recht die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 6a UStG versagt und den Vorsteuerabzug größtenteils zu Recht abgelehnt. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind umsatzsteuerfrei, wenn der Lieferer oder der Abnehmer den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat, der Abnehmer Unternehmer ist und den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat und der Erwerb beim Abnehmer im anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 UStG). Diese Tatbestandsvoraussetzungen hat der Lieferer grundsätzlich beleg- und buchmäßig nachzuweisen (§ 6a Abs. 3 UStG). Vorliegend scheitert der Buch- und Belegnachweis im Sinne der §§ 17a UStDV, 17c UStDV a. F. unter anderem an folgenden Punkten:
Der Abnehmer einer innergemeinschaftlichen Lieferung muss erkennen können, dass er den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern muss. Hierzu bedarf es zumindest eines - hier fehlenden - umgangssprachlich formulierten Hinweises des Lieferers auf der Rechnung, dass es sich um eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung handelt. Die vorhandene Angabe des Steuersatzes von 0 % genügt dazu nicht.
Die von der Klägerin vorgelegten Belege sprechen nach Auffassung des FG gegen eine Grenzüberschreitung aufgrund eines der Klägerin zuzurechnenden Liefervorgangs. Dem Bestätigungsschreiben des in Hessen ansässigen Speditionsunternehmens über den "Erhalt" von Waren "zur Verfügung" der G-Ltd. sei zu entnehmen, dass die Warenbewegung der Klägerin am Sitz der Spedition in Hessen und damit im Inland endete. Vorgelegte CMR-Frachtbriefe sind zudem nicht als Verbringungsnachweis anzuerkennen, wenn sie - wie hier - als Absender den Lieferer ausweisen, obwohl der Abnehmer oder ein Dritter den Frachtführer mit dem Transport der Ware beauftragt hat und daher Absender im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b des CMR-Abkommens ist. Ein CMR-Frachtbrief hat auch keinen Beweiswert, wenn in den jeweils unterzeichneten Bestätigungsfeldern unzutreffend der Leistende als Frachtführer und die die Lieferung ausführende Firma als Absender ausgewiesen werden.
Der die Steuerbefreiung beanspruchende Lieferer trägt die materielle Feststellungslast (Beweislast) für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a UStG. Die für ihn zuständige Finanzbehörde ist nicht verpflichtet auf Verlangen des Unternehmers ein Auskunftsersuchen an die Finanzverwaltung im Zuständigkeitsbereich des vermeintlichen Abnehmers der innergemeinschaftlichen Lieferung zu stellen. Bestehen gewichtige Zweifel am tatsächlichen Empfang der Ware, weil völlig unklar ist, wem die Verfügungsmacht an der Ware tatsächlich verschafft wurde und ob dieser die subjektiven Voraussetzungen des § 6 a UStG erfüllt, d.h. insbesondere als Unternehmer zu qualifizieren ist, ist der Buch- und Belegnachweis nicht erbracht.
Kommt der Kontakt mit dem ausländischen Abnehmer ausschließlich über eine Internetseite oder unter Verwendung einer inländischen Mobiltelefon- oder Faxnummer zustande, so muss der Lieferer bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zumindest auch den Kontakt über den angeblichen ausländischen Geschäftssitz suchen, um die sich aufdrängenden Zweifel an der ausländischen Ansässigkeit des Abnehmers auszuräumen. Geschieht dies - wie hier - nicht, hat der innergemeinschaftliche Lieferer die insoweit erfo...