Leitsatz

1. "Technische Fachkräfte" i.S.d. Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut sind, auch wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, soweit sie sich nur in ihrer Eigenschaft als "technische Fachkraft" in der Bundesrepublik aufhalten.

2. Eine "technische Fachkraft" hält sich dann nur in dieser Eigenschaft im Inland auf, wenn nach ihren gesamten Lebensumständen erkennbar ist, dass sie nach Beendigung ihres Diensts in den Ausgangsstaat oder in ihren Heimatstaat zurückkehren wird. Maßgeblich sind insoweit die Verhältnisse aus der Sicht des jeweiligen Besteuerungszeitraums.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 EStG, Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat; Art. 73 NATOTrStatZAbk

 

Sachverhalt

Der Kläger ist amerikanischer Staatsbürger und war von Oktober 1990 an als Soldat der US-Streitkräfte in Deutschland stationiert. Er heiratete im März 1994 die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, und wohnte mit ihr außerhalb der Housing-Area der amerikanischen Streitkräfte in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, die der Klägerin und ihren Eltern jeweils zur Hälfte gehörte. Nach Beendigung seines Militärdiensts trat der Kläger im Mai 1998 bei einer US-amerikanischen Firma, die die US-Streitkräfte in technischen Fragen beriet, eine Stelle als Betreuer für Kampfsimulationssysteme an. Dort war er bis März 2001 beschäftigt. Die Klägerin war in den Streitjahren ebenfalls in Deutschland berufstätig. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers verließen beide Ehegatten die Bundesrepublik, der Kläger im April 2001, die Klägerin zwei Monate später.

Die Kläger wurden für die Streitjahre zur ESt zusammen veranlagt. Dabei erfasste das FA die Einkünfte des Klägers als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg (EFG 2004, 1257).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an dieses zurück. Es bedürfe weiterer Sachverhaltsaufklärung, zum einen in jene Richtung, ob der Kläger sich nur in seiner Eigenschaft als "technische Fachkraft" im Inland aufgehalten hat, zum anderen hinsichtlich der Frage, ob er überhaupt eine "technische Fachkraft" war.

Zum ersten bedürfe es Feststellungen dazu, ob er nach den gesamten Lebensumständen fest entschlossen war, nach Beendigung des Diensts in die USA zurückzukehren. Zum zweiten müsse er ein technisch besonders qualifizierter Arbeitnehmer sein, wobei auf die in der deutsch-amerikanischen Vereinbarung über die Auslegung und Anwendung des Art. 73 NATOTrStatZAbk vom 19.5.1998 (BStBl I 1998, 881, unter 1.) enthaltene Begriffsbestimmung zurückzugreifen sei.

 

Hinweis

Es ging im Urteilsfall um einen US-Staatsangehörigen, der mit seiner Ehefrau in Deutschland wohnte und als ehemals in Deutschland stationierter Soldat der US-Streitkräfte bei diesen als "technische Hilfskraft" tätig war.

1. Ein Wohnsitz in Deutschland begründet an sich gem. § 1 Abs. 1 EStG die unbeschränkte Steuerpflicht.

2. Allerdings: Gem. Art. X Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19.6.1951 (NATOTrStat) gelten Zeitabschnitte, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges des Entsendestaats nur in dieser Eigenschaft in der Bundesrepublik aufhält, nicht als Zeiten des Aufenthalts oder Wohnsitzes i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG. Entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung greift diese Fiktion dann nicht ein, wenn sich eine Person auch aus anderen Gründen im Inland aufhält.

Für sog. technische Fachkräfte, deren Dienste eine Truppe benötigt und die im Bundesgebiet ausschließlich für diese Truppe als Berater in technischen Fragen oder zwecks Aufstellung, Bedienung oder Wartung von Ausrüstungsgegenständen arbeiten, ist in Art. 73 Satz 1 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3.8.1959 (NATOTrStatZAbk) geregelt, dass sie wie Mitglieder des zivilen Gefolges angesehen und behandelt werden. Dies gilt nach Art. 73 Satz 2 Buchst. d NATOTrStatZAbk jedoch nicht für Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben.

3. Der BFH hat entschieden, dass die Fiktion des Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat auch bei einer technischen Fachkraft i.S.d. Art. 73 NATOTrStatZAbk – nicht anders als bei Mitgliedern der Nato-Streitkräfte – unter der Voraussetzung zur Anwendung kommt, dass sich die betreffende Person ausschließlich in ihrer Eigenschaft als technische Fachkraft im Inland aufhält bzw. aufgehalten hat. Erfüllen sie diese Voraussetzungen, dann – aber auch nur dann – werden allerdings auch ehemalige Soldaten, die nunmehr als technische Fachkräfte Dienst tun, entsprechend "anschlussprivilegiert".

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.11.2005, I R 47/04

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