Leitsatz
Wer durch zwei Anträge doppeltes Kindergeld bezieht, erfüllt den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung.
Sachverhalt
Der klagende Vater bezog unstreitig seit 1998 doppelt Kindergeld. Er war ehemaliger Beamter der Deutschen Bundesbahn, der als solcher beurlaubt war, gleichzeitig aber bei der DB-AG weiterhin als Lokführer beschäftigt. Einen Antrag auf Kindergeld hatte er hierbei bei dem für ihn als Beamten zuständigen Bundeseisenbahnsondervermögen gestellt. Den anderen Antrag stellte er bei der Bundesagentur für Arbeit, die nach der Rechtslage in 1998 das Kindergeld bewilligte und einen entsprechenden Bescheid an die DB AG weiterleitete. Ab 1999 wurden die Familienkassen für die Auszahlung von Kindergeld zuständig. Der Vater klärte keinen der beiden Zahler über die Doppelzahlung auf. In 2008 wurde diese dann bei einem Datenabgleich erkannt und Kindergeld von der Arbeitsagentur zur Rückzahlung ab 1999 aufgefordert. Der Vater legte hiergegen Einspruch ein. Er legte dar, dass für die Zeiträume vor 2004 eine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Der Einspruch wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Vater hier den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt habe, sodass eine Verjährungsfrist von 10 Jahren greife. Insbesondere hätte der Vater die Arbeitsagentur über die Doppelzahlung informieren müssen.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab. Nachdem es zunächst das Vorliegen der Änderungsbestimmungen der §§ 173 Abs. 1 Nr. 1 und 174 Abs. 2 AO bejahte, legte das Gericht dar, warum hier auch für die Jahre vor 2004 keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO verlängere sich die Verjährungsfrist nämlich auf 10 Jahre, wenn eine Steuerhinterziehung vorliege. Eine solche habe der Kläger hier begangen, da er unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht habe, um einen Steuervorteil zu erlangen. Auch hätte er die Arbeitsagentur von der Doppelzahlung in Kenntnis setzen müssen. Die entsprechende Pflicht resultiere aus § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO und § 68 Abs. 1 EStG: Der Vorsatz des Kläger sei unzweifelhaft gegeben.
Hinweis
Die Entscheidung stellt dar, was geschehen kann, wenn doppelt Kindergeld bezogen wird, nämlich ein massiver Rückforderungsanspruch und dies für einen Zeitraum von 10 Jahren, da regelmäßig von einer Steuerhinterziehung auszugehen sein wird. Zwar war sich das Gericht nicht sicher, ob es dem Kläger bereits bei der doppelten Antragstellung darum gegangen sei, auf Dauer zweimal Kindergeld zu beziehen. In jedem Fall bestand aber - und dies ist sicherlich die wichtigste Erkenntnis des Urteils - die Verpflichtung des Vaters, die doppelten Zahlungen anzuzeigen. Es reicht also nicht aus, zu warten, bis diese Doppelzahlungen auffallen, sondern es obliegt den Beziehern selber von sich aus aktiv zu werden. Darüber hinaus enthält das Urteil sehr informative Ausführungen zur Frage der Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn der Kläger selbst gegen Pflichten verstoßen hat. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.01.2010, 4 K 1507/09