Zusammenfassung
Nicht selten kommt es vor, dass sich beruflich erfolgreiche Steuerpflichtige in der Lebensmitte von ihren Ehepartnern faktisch trennen und mit einem neuen Partner auf Dauer zusammenziehen. Da die einschneidenden finanziellen Folgen einer Scheidung (Zugewinnausgleich, hohe reguläre Unterhaltszahlungen) den wirtschaftlichen Spielraum erheblich einschränken würden, kommt es zu einer konkludenten Vereinbarung eines Status Quo zwischen den Eheleuten, in welchem z. B. der Ehemann zwar mit seiner neuen Partnerin zusammenlebt, jedoch weiter den Unterhalt für die Ehefrau und die ehelichen Kinder leistet.
§ 370 AO regelt die Steuerhinterziehung.
1 Praktizierung des dauernden Getrenntlebens in steuerlicher Hinsicht
In steuerlicher Hinsicht wird aus der Sicht des Finanzamts zunächst weiterhin die Zusammenveranlagung mit der Folge der weiteren Inanspruchnahme des günstigen Splitting-Tarifs und der Vermeidung der ungünstigen Steuerklasse I beantragt. Praktisch geschieht dies dadurch, dass im Steuererklärungsvordruck bei dem Wort "Zusammenveranlagung" ein Kreuz gemacht wird – wobei dies allerdings häufig durch einen Angestellten in einem Steuerbüro geschieht, welches mandatiert wurde. Später wird die Steuererklärung von den Eheleuten unterschrieben.
Voraussetzung für eine Zusammenveranlagung ist jedoch, dass die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Dabei ist unter Lebensgemeinschaft die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten, unter Wirtschaftsgemeinschaft die gemeinsame Erledigung der wirtschaftlichen Fragen des Zusammenlebens zu verstehen.
Einer auf Dauer herbeigeführten räumlichen Trennung misst die Rechtsprechung dabei besondere Bedeutung zu. Leben die Ehegatten räumlich getrennt und fehlt der Wille, die häusliche Gemeinschaft wiederherzustellen, reicht die gemeinschaftliche Entscheidung beide Ehegatten berührender finanzieller Fragen oder die fortlaufende Gewährung von Unterhalt für die Annahme eines nur vorübergehenden Getrenntlebens nicht aus.
Immer wieder werden in den betreffenden Fällen auch über Jahre hinweg Kosten für doppelte Haushaltsführung (angebliche Fahrten des Ehemanns zur "Ehewohnung") geltend gemacht. Hat der Ehemann an seinem neuen Wohnort ein Haus erworben, das er gemeinsam mit der neuen Partnerin bewohnt, wird dieses häufig gegenüber dem Finanzamt als an die Lebensgefährtin vermietet deklariert, um den Ansatz entsprechender Verluste aus Vermietung und Verpachtung zu ermöglichen.
Auf Grund von Zufälligkeiten, z. B. Anschriftenangaben auf eingereichten Belegen, können sich beim Veranlagungsbeamten des Finanzamts jedoch irgendwann Zweifel daran einstellen, ob noch ein gemeinsamer Familienwohnsitz besteht.
2 Ermittlungen des Finanzamts
Zu den üblichen Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden beim Verdacht unberechtigter Zusammenveranlagung gehört regelmäßig eine überraschende Besichtigung der von dem einen Ehepartner bewohnten "Ehe-Wohnung" durch einen Betriebsprüfer, den Veranlagungsbeamten im Wege der sog. betriebsnahen Veranlagung (BNV) oder sogar durch Steuerfahndungsbeamte. Ziel der Überprüfung ist die Feststellung, ob die Wohnungseinrichtung und das etwaige Vorhandensein persönlicher Gegenstände (Kleidung) auf den ständigen Aufenthalt des (mutmaßlich weggezogenen) Ehepartners hindeuten oder ob die Wohnung des in jedem Fall dort wohnenden Ehepartners auf dessen "Single-Dasein" ausgelegt ist.
Allerdings hat diese Besichtigung insofern nicht die ihr vom Finanzamt beigelegte Bedeutung, als sie über die Lebensumstände früherer Zeiträume, für die Steuererklärungen vorliegen, nichts aussagt. Ergänzend hierzu werden deshalb von der Finanzbehörde auch am neuen Wohnort des anderen Ehepartners Ermittlungen durchgeführt. Man versucht insoweit, das Nichtvorliegen einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der Eheleute mit Hilfe eines Umkehrschlusses dadurch zu beweisen, dass eine dauernde Lebensgemeinschaft z. B. des Ehemanns mit seiner neuen Partnerin festgestellt wird. Im Zuge solcher Ermittlungen werden auch durch Steuerfahndungsbeamte Befragungen von Nachbarn an beiden Wohnorten vorgenommen.
Darüber hinaus werden vom Finanzamt Fragenkataloge formuliert, in denen die Ehepartner und die Kinder z. B. nach gemeinsamen ehelichen Urlaubsreisen und entsprechenden Belegen hierfür (Fotos) oder nach Besuchen der Ehefrau oder der Kinder in der Wohnung des Ehemanns befragt werden.
Fragen werden auch an die neuen Lebensgefährten gestellt, denen – im Gegensatz zu Kindern – sowohl im Besteuerungs- als auch im Strafverfahren kein Aussageverweigerungsrecht zusteht. Ergänzend wird die Vorlage weiterer Belege, z. B. zur Hausratsversicherung der vermeintlichen Ehe-Wohnung (Versicherungssumme, Abschlussdatum oder Vertragspartner), gefordert.
Ist kein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung anhängig, gelten die steuerlichen Mitwirkungspflichten, bei deren Verletzung das Finanzamt für die Steuerpflichtige...