Prof. Dr. Peter Bilsdorfer
Die Bestrafung wegen einer Steuerhinterziehung, die vollendet, aber nicht entdeckt ist, lässt sich vermeiden, wenn eine Selbstanzeige vorgenommen wird. Sie wird als eine Art Einladung an den Steuerbürger, zur Steuerehrlichkeit zurückzufinden, betrachtet.
Straffreiheit aufgrund einer Selbstanzeige tritt nur ein, wenn unrichtige oder unvollständige Angaben umfassend (und nicht nur teilweise) bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachgeholt werden. In der Aufforderung an das Finanzamt, eine Betriebsprüfung vorzunehmen, liegt noch keine Selbstanzeige. Vom Steuerpflichtigen wird verlangt, dass er eine gewisse Tätigkeit entfaltet, die in Richtung einer Berichtigung und Ergänzung der bisherigen Angaben oder Nachholung von Angaben liegt. Das Finanzamt muss dadurch in der Lage sein, ohne langwierige große Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären.
Selbstanzeige muss vollumfänglich erfolgen
Formulieren Sie für den Steuerpflichtigen eine Selbstanzeige, müssen Sie dies so ausführlich tun, dass das Finanzamt in die Lage versetzt wird, sofort berichtigende Steuerbescheide zu erlassen. Würden Sie dem Finanzamt lediglich schreiben "Ich erstatte für die Eheleute X Selbstanzeige", wäre das nicht ausreichend. Unabhängig von der Schwere der Steuerhinterziehung beträgt der Nacherklärungszeitraum 10 Jahre.
Wichtig ist auch, dass sich die Selbstanzeige auf die richtigen Zeiträume bezieht. Wurden steuererhebliche Einnahmen im Veranlagungszeitraum 2023 bezogen, müssen sie für 2023 nacherklärt werden. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt worden, tritt für einen an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, soweit er die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.
Schätzung bei Nacherklärung erlaubt
Wenn der Steuerpflichtige die genauen Zahlen für eine Selbstanzeige noch nicht ermittelt hat, muss er diese schätzen. Es empfiehlt sich, soweit dies erforderlich ist, mit Blick auf die Vollständigkeit der Nacherklärung auf jeden Fall bei der Schätzung nicht allzu kleinlich zu sein. Denn eine zu niedrige Schätzung beeinflusst die Wirksamkeit der Selbstanzeige als solche. Zudem wirkt eine bewusst zu niedrig abgefasste Selbstanzeige strafverschärfend.
Der Anzeiger muss zu allen strafrechtlich nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten 10 Jahre in vollem Umfang
- unrichtige Angaben berichtigen,
- unvollständige Angaben ergänzen oder
- unterlassene Angaben nachholen.
Selbstanzeige für die letzten 10 Jahre
Der Steuerpflichtige hat Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2023 verkürzt. Hier muss er die Einkünfte der Jahre 2014 bis 2023 nacherklären, soll seine Selbstanzeige vollständig und wirksam sein.
Eine sog. Teilselbstanzeige, bei der nur Ausschnitte einer Tat korrigiert werden, reicht allgemein steuerartbezogen nicht aus.
Selbstanzeige bei Kapitaleinkünften
Der Steuerpflichtige A hat Kapitaleinkünfte verschwiegen, die er aus Anlagen bei den Banken X und Y erzielt hat. Als er von einer bevorstehenden Außenprüfung bei der X-Bank erfährt, meldet er nur die von dort vereinnahmten Beträge nach. Dies ist unzureichend. A hätte auch die bei der Y-Bank erzielten Einkünfte nacherklären müssen.
Allerdings besagt die Gesetzesformulierung ("einer Steuerart"), dass nach wie vor eine Teil-Selbstanzeige möglich ist, soweit unterschiedliche Steuerarten betroffen sind.
Selbstanzeige bei Schwarzarbeit
Der Steuerpflichtige B beschäftigt in seinem Unternehmen Schwarzarbeiter. Er meldet die verkürzten Löhne vollständig nach und entrichtet auch die Lohnsteuer entsprechend. Selbst wenn B (mittels des Einsatzes der Schwarzarbeiter) Umsätze verkürzt hat, wirkt sich die unterbliebene Nacherklärung der Umsätze nicht hinsichtlich der Selbstanzeige bezüglich der Lohnsteuer aus.
Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist zu spät, wenn
- bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten i. S. d. § 370 Abs. 1 AO oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g EStG oder einer Nachschau nach anderen steuerrec...