Leitsatz
1. Die Ablösung wiederkehrender Bezüge aus einer Betriebs- oder Anteilsveräußerung durch eine Einmalzahlung kann als Veräußerungserlös tarifbegünstigt sein (Bestätigung des Senatsurteils vom 10.7.1991, X R 79/90, BFHE 165, 75).
2. Ist bereits im Jahr der Betriebs- oder Anteilsveräußerung eine Einmalzahlung tarifbegünstigt versteuert worden, steht dies der Tarifbegünstigung der Ablösezahlung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen, wenn die erstgenannte Einmalzahlung im Verhältnis zum Ablösebetrag als geringfügig anzusehen ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 165, 75).
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG , § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG , § 34 Abs. 1 und 2 EStG
Sachverhalt
Der inzwischen verstorbene Ehemann der Klägerin (E) hatte bis 1984 eine Handelsvertretung als Einzelunternehmen betrieben. 1984 gründete er als Alleingesellschafter eine GmbH, in welche er sein Einzelunternehmen unter Aufdeckung nur eines Teils der stillen Reserven einbrachte.
Am 14.1.1987 veräußerte er zunächst einen Teilbetrag von 96 % und später auch den Rest seiner GmbH-Anteile an H und S. Das FA behandelte den von E 1987 erzielten Veräußerungsgewinn als solchen i.S.v. § 16 EStG und erfasste nach Abzug eines Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG einen steuerpflichtigen – tarifbegünstigten – Veräußerungsgewinn von 994 DM.
Ebenfalls am 14.1.1987 schlossen E und seine Ehefrau (Klägerin) mit H und S, die insoweit als Vertreter der GmbH auftraten, einen "Rentenvertrag", wonach sich die GmbH verpflichtete, E und seiner überlebenden Ehefrau ab März 1987 eine (wertgesicherte) Leibrente zu zahlen – "weil mit der Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH dessen Kundenbeziehungen ohne zusätzliche Entschädigung auf die GmbH übergegangen" seien.
Die Rentenzahlungen wurden von E und – nach dessen Tod – von der Klägerin als nachträgliche laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt und entsprechend vom FA veranlagt. Im Streitjahr 1998 löste die GmbH, die sich inzwischen in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand und von H und S aufgelöst werden sollte, die Rentenverpflichtung im Einvernehmen mit der Klägerin durch einen erheblich unter dem Rentenbarwert liegenden Kapitalbetrag ab. Die Klägerin meinte, der Abfindungsbetrag sei als begünstigter Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG zu erfassen. Das FA nahm demgegenüber einen laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb an.
Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück
Entscheidung
Das FG müsse die bisher zu Unrecht unterlassene Auslegung des Rentenvertrags vom 14.1.1987 nachholen.
Ergebe diese Auslegung, dass es sich bei den Rentenzahlungen um einen Bestandteil des Entgelts für die Veräußerung der GmbH-Anteile gehandelt habe, sei die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 EStG 1997 für die der Klägerin im Streitjahr 1998 zugeflossene Ablösezahlung dem Grund nach zu gewähren, der Höhe nach jedoch um den bereits im Jahr der Anteilsveräußerung ermäßigt besteuerten Betrag zu vermindern.
Ergebe die Vertragsauslegung hingegen, dass die Rentenvereinbarung als von der GmbH eingegangene Pensionszusage zu werten sei, so seien alle auf ihr beruhenden Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen. Denn die vereinbarte Pension sei für E als den begünstigten Alleingesellschafter und Geschäftsführer der zusagenden GmbH nicht mehr erdienbar gewesen, weil E im Zeitpunkt der Erteilung der Zusage (Januar 1987) bereits 65 Jahre alt gewesen und gleichzeitig als Geschäftsführer der GmbH ausgeschieden sei.
Diese verdeckten Gewinnausschüttungen seien als Kapitaleinkünfte i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG hier der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des E zuzurechnen, weil es insoweit auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erteilung der Pensionszusage ankomme. Die Einmalzahlung könne in diesem Fall eine tarifbegünstigte Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellen. Die Einordnung als verdeckte Gewinnausschüttung schließe die Behandlung der Abfindung als Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht aus.
Als dritte Auslegungsmöglichkeit komme die Behandlung der Rentenzahlungen und damit auch des Ablösebetrags als nachträgliche Gegenleistung der GmbH für die Einbringung des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens des E in Betracht. Auch für diesen Fall handele es sich bei den Rentenzahlungen um verdeckte Gewinnausschüttungen. Auch auf dieser Grundlage werde das FG zu prüfen haben, ob die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 EStG gewährt werden könne. Insoweit sei zur Frage des Vorliegens einer Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG auf die in der früheren Senatsrechtsprechung (BFHE 165, 75) aufgestellten Grundsätze, insbesondere zur Erforderlichkeit einer neuen Rechtsgrundlage, zu verweisen.
Hinweis
Im Streitfall geht es im Kern um die Auslegung eines zivilrechtlichen "Versorgungs- und Rentenvertrags", welche das FG als Tatsacheninstanz unterlassen hatte, auf die es aber zur Bestimmun...