Ass. jur. Viola C. Didier
Leitsatz
Zur Tarifbegünstigung des § 34 EStG bei einer auf den späteren Ausgleichsanspruch als Handelsvertreter anzurechnenden Entschädigung.
Sachverhalt
Ein Handelsvertreter hatte eine unbefristete Vertriebsvereinbarung mit einer Firma geschlossen über den exklusiven Vertrieb ihrer Produkte im Vertragsgebiet. Gemäß der Vertriebsvereinbarung stand dem Handelsvertreter bei Beendigung des Vertrags ein Ausgleichsanspruch zu. Als sich die wirtschaftliche Situation der Firma verschlechterte, schlossen die beiden eine Nachtragsvereinbarung über niedrigere Provisionssätze. Sie gingen zwar davon aus, dass die Senkung der Provisionssätze keine Ansprüche des Handelsvertreters i. S. d. § 89b HGB auslöse. Vorsorglich erklärte dieser aber ausdrücklich, dass er auf eventuelle Ansprüche verzichte. "Im Gegenzug" erklärte sich die Firma bereit, ihm bereits jetzt einen Abschlag auf einen bei Beendigung des Handelsvertretervertrags nach § 89b HGB entstehenden Ausgleichsanspruch zu zahlen. Der Höhe nach sollten 60 % des Ausgleichsanspruchs gezahlt werden, der sich bei einer sofortigen fiktiven Vertragsbeendigung ergeben hätte. Ein eventuell später entstehender Ausgleichsanspruch sollte durch den Vorschuss nicht i. H. d. nominellen Betrags sondern i. H. d. Quote von 60 % abgegolten sein.
Das Finanzamt erfasste die Zahlung als Betriebseinnahme und berechnete die Einkommensteuer ohne Ansatz des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 1 EStG. Der Handelsvertreter war jedoch der Meinung, dass hier eine Entschädigung für seine Zustimmung zu den niedrigeren Provisionsätzen und der damit verbundenen Minderung seines späteren Ausgleichsanspruchs als Handelsvertreter vorliege.
Entscheidung
Vor dem FG hatte der Handelsvertreter Erfolg. Bekomme ein Handelsvertreter eine Einmalzahlung dafür, dass er aufgrund der schwierigen finanziellen Lage und auf Veranlassung seines Auftraggebers der rückwirkenden Absenkung seiner Provisionssätze ab einem bestimmten Stichtag zustimmt und klarstellt, dass damit zivilrechtlich kein gesetzlicher Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB entsteht und dass er die zukünftige Entwertung seines zu diesem Zeitpunkt bestehenden Ausgleichsanspruchs als Handelsvertreter, der aus der Höhe der in der Zukunft sinkenden Provisionen berechnet wird, in Kauf nimmt, so stelle die Einmalzahlung eine steuerbegünstigte Entschädigung für entgehende Einnahmen i. S. v. § 24 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG dar.
Ob eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt werde, sei grundsätzlich aus der Sicht der Vertragsparteien zu beurteilen. Dazu sei der Inhalt der Entschädigungsvereinbarung, erforderlichenfalls im Wege der Auslegung, heranzuziehen. Wurde eine einheitliche Zahlung für mehrere Entschädigungszwecke geleistet, so sei jeder Zweck steuerrechtlich für sich zu beurteilen und die Entschädigung ggf. aufzuteilen.
Hinweis
Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 24 Nr. 1 EStG setzt voraus, dass ein Steuerpflichtiger eine "Entschädigung" erhalten hat, die ihm zusammengeballt zugeflossen ist. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen eines Schuldverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen. Dementsprechend liegt eine Entschädigung nur vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht. Bei einer Mitwirkung des Steuerpflichtigen am Schaden liegt eine Entschädigung nur vor, wenn dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. umfangreich bei Horn, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 EStG Anm. 26 ff.).
Löst das schädigende Ereignis für den Steuerpflichtigen zugleich anderweitige Vorteile aus, so steht dies der Beurteilung einer Abfindung als Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht entgegen; ein Vorteilsausgleich ist nicht vorzunehmen (BFH, Urteil v. 11.1.2005, IX R 67/02, BFH/NV 2005 S. 1044, m. w. N.).
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 26.02.2013, 6 K 2742/12