Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einem Investmentfonds gezahlten Zwischengewinne sind auch hinsichtlich geleisteter Ertragsausgleichsbeträge negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 in der im Streitjahr 2008 anzuwendenden Fassung.
2. Leistet der Anleger bei Eintritt in den Investmentfonds über im Ausgabepreis enthaltene Ertragsausgleichsbeträge wirtschaftlich betrachtet eine Vorauszahlung auf Erträge, die Zwischengewinne i.S. des § 1 Abs. 4 InvStG sind, entfällt der Charakter der erbrachten Vorauszahlung nicht rückwirkend dadurch, dass der Ertragsausgleich zum Geschäftsjahresende nicht auch in Bezug auf die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge durchgeführt wird und die geleisteten Ertragsausgleichsbeträge stattdessen erst bei der Berechnung der aus der Rückgabe der Fondsanteile vereinnahmten Zwischengewinne berücksichtigt werden.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 9 InvStG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb Ende des Jahres 2008 Anteile an einem luxemburgischen Investmentfonds. Ausweislich des Platzierungsmemorandums des thesaurierenden Fonds sollte ein Ertragsausgleich durchgeführt werden. Der Ausgabepreis je Anteil wurde unter Einbeziehung der bisherigen Fondserträge aus einem Bond-Stripping ermittelt. Bei dem Erwerb der Anteile zahlte der Kläger Zwischengewinne i.S.d. § 1 Abs. 4 InvStG. Im Jahr 2009 gab der Kläger sämtliche Fondsanteile zurück. Für das Jahr 2009 wurden ihm ausschüttungsgleiche Erträge sowie erhaltene Zwischengewinne aus der Rückgabe der Fondsanteile als Einnahmen aus Kapitalvermögen zugewiesen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2008 machten die Kläger die bei dem Erwerb der Fondsanteile gezahlten Zwischengewinne als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers geltend.
Das FA lehnte dies ab, da das Ertragsausgleichsverfahren auf der Fondsebene nicht für die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge, sondern nur für die Zwischengewinne gerechnet worden war. Damit habe der Fonds die für die Anerkennung negativer Einnahmen formulierten Anforderungen des BMF-Schreibens vom 9.3.2010, IV C 1‐S 1980‐1/09/10001 (DStR 2010, 553) sowie des mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) eingefügten § 2 Abs. 5 InvStG nicht erfüllt.
Auf die von den Klägern erhobene Klage erließ das FG ein Zwischenurteil (FG Düsseldorf vom 17.8.2017, 14 K 3722/13 E, Haufe-Index 11384953, EFG 2018, 46). Nach diesem Urteil handelt es sich bei den vom Kläger beim Erwerb der Fondsanteile gezahlten Zwischengewinnen um negative Kapitaleinkünfte.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA gegen das Zwischenurteil als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Das FG hat über die Frage, ob die vom Kläger bei Erwerb der Fondsanteile gezahlten Zwischengewinne im Streitjahr 2008 negative Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 EStG sind, ein Zwischenurteil erlassen. Dies war sachdienlich, da diese Frage logisch vorrangig gegenüber der Frage ist, ob ein Steuerstundungsmodell vorliegt. Wäre nämlich das Vorliegen negativer Einnahmen zu verneinen, stellte sich die Frage nach deren Ausgleichsfähigkeit bzw. bloßer Verrechenbarkeit nach § 15b Abs. 1 EStG nicht mehr. Danach dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell nur mit Einkünften, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt, verrechnet werden.
2. Das FG hatte zu Recht entschieden, dass die bei Erwerb der Fondsanteile gezahlten Zwischengewinne negative Einnahmen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind.
Zwischengewinn ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 InvStG das Entgelt für die dem Anleger noch nicht zugeflossenen oder als zugeflossen geltenden Zinserträge und zinsähnlichen Erträge sowie Ansprüche des Investmentvermögens. Dies dient der Vermeidung einer Überbesteuerung beim späteren Ertragszufluss. Zu den zwischengewinnrelevanten Erträgen zählt gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Zinsscheinen und Zinsforderungen durch den Inhaber oder ehemaligen Inhaber der Schuldverschreibung, wenn die dazugehörigen Schuldverschreibungen nicht mitveräußert werden (sog. Bond-Stripping).
3. Der steuerlichen Berücksichtigung der gezahlten Zwischengewinne als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steht die fehlende Einbeziehung von Ertragsausgleichsbeträgen in die Ermittlung der ausschüttungsgleichen Erträge zum Geschäftsjahresende 2008/2009 nicht entgegen. Denn auch bei einem fehlenden Ertragsausgleich leistet der Anleger im Rahmen des Anteilskaufpreises eine (geringere) Vorauszahlung auf die ihm später zugerechneten Erträge. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Differenz zwischen geleisteter Vorauszahlung und zugerechneten Erträgen erst in einem späteren Veranlagungszeitraum – etwa bei ...