Leitsatz
1. Für die Inanspruchnahme des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG muss der Lieferer in gutem Glauben handeln und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.
2. Dabei sind alle Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände umfassend zu berücksichtigen. Danach kann sich die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen.
Normenkette
§ 6a UStG, § 17a UStDV, Art. 28c der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein Autohändler bot im Internet Fahrzeuge zum Verkauf an. Der Kontakt zum Vertrag mit einer Luxemburger GmbH lief über Telefon und Fax, beides mit deutscher Vorwahl. Ein Schreiben mit dem Briefkopf der GmbH, einer Abholvollmacht für L und einer Unterschrift, die vielleicht "K.P.", lt. HR-Auszug Geschäftsführer der GmbH, hätte bedeuten können und ähnlich der Kopie des Personalausweises von K.P. war, lag der Klägerin vor. L holte das Fahrzeug ab, dessen Verbleib nicht geklärt werden konnte. Das FA versagte die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche (ig) Lieferung wegen zweifelhafter Unterschriften.
Das FG meinte, die Anforderungen an einen Unterschriftsvergleich dürften nicht zu hoch sein (FG Düsseldorf, Urteil vom 17.6.2011, 1 K 3069/09 U, Haufe-Index 2754136, EFG 2012, 279).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Abnehmer war nach den unter 3. erläuterten Grundsätzen die Person, die sich als K.P. ausgab und eine innergemeinschaftliche Lieferung vortäuschte.
Die zur Steuerpflicht führende Bösgläubigkeit kann sich auch aus Umständen ergeben, die nicht mit den Beleg- und Buchangaben zusammenhängen. Zu berücksichtigen sind alle ungewöhnlichen Umstände. Auch wenn die Barzahlung hochwertiger Gegenstände durch Beauftragte allein noch nicht die Anwendung des § 6a UStG ausschließen, ist bei einem ersten Geschäftskontakt, bei der außer einem Briefkopf Fax- und Mobiltel.-Nr. auf einen inländischen Abnehmer deuten, besondere Sorgfalt verlangt. Die Klägerin hätte nur dann mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, wenn sie bei Anbahnung einer erstmaligen Geschäftsbeziehung zur GmbH zumindest auch den Kontakt über deren Geschäftssitz in Luxemburg gesucht hätte.
Hinweis
1. Im Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG und der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 UStG wegen (nicht erkennbarer) unrichtiger Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des BFH:
a) |
Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die Nachweispflichten erfüllt. |
b) |
Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, sind die Nachweisangaben unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen. Trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind. |
c) |
Hat der Unternehmer die Nachweispflichten ihrer Art nach vollständig erfüllt, kommt Vertrauensschutz in Betracht. Dass die Angaben unrichtig sind, ist ohne Bedeutung, wenn er das bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht erkennen konnte. |
2. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten dürfen zwar nicht überspannt werden. Der Unternehmer muss jedoch vor allem bei einem ersten Kontakt mit einem ihm nicht bekannten Geschäftspartner besonders sorgfältig sein.
3. Die Person des Abnehmers (Leistungsempfängers) bestimmt sich nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein. Bei einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 BGB führt, bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gem. § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.4.2013 – V R 28/11