Leitsatz
Der Veräußerer schuldet in den Fällen des einheitlichen Erwerbsvorgangs die Grunderwerbsteuer in voller Höhe auch dann, wenn nicht er selbst, sondern ein Dritter zivilrechtlich zur Gebäudeerrichtung verpflichtet ist.
Normenkette
§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Nr. 1 GrEStG, § 5, § 44 Abs. 1, § 121, § 219 Satz 1 AO, § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 295 Abs. 1 ZPO
Sachverhalt
Die Klägerin wollte ein (Teil-)Grundstück verkaufen und hatte die D-GmbH zur Erwerberbenennung ermächtigt. Nach den Feststellungen des FG hatte die D-GmbH das Grundstück dann der F-GmbH "an die Hand gegeben". Die Eheleute (E) hatten die F-GmbH als Makler beauftragt. Über die F-GmbH machte die Bauunternehmung G-KG – die wirtschaftlich mit der F-GmbH verbunden war – die E auf das Grundstück aufmerksam. Zunächst schlossen die E jedoch einen Bauvertrag mit der G-KG, in dem das zu bebauende Grundstück mit "wird vom Bauherrn benannt" bezeichnet wurde. Danach verkaufte die Klägerin den E das Grundstück, die auch die Grunderwerbsteuer tragen sollten.
Das FA setzte gegen die E Grunderwerbsteuer auf der Grundlage des Kaufpreises und der Baukosten fest. Daraufhin wandten sich die E an das FA, um eine Einigung über Schulden zu erarbeiten. Ein Vollstreckungsverfahren gegen die E versprach keinen Erfolg. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung wurde nicht erteilt.
Daraufhin setzte das FG die Grunderwerbsteuer für das zu bebauende Grundstück gegenüber der Klägerin fest. Nachdem die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.8.2014, 11 K 4018/13, Haufe-Index 8663761) die Klage abgewiesen hatte, rügte die Klägerin mit der Revision die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs. Zudem schulde der Veräußerer nur die auf den Kaufpreis für das tatsächlich unbebaute Grundstück entfallende Grunderwerbsteuer, wenn nicht er selbst zur Gebäudeerrichtung verpflichtet sei. Darüber hinaus sei die Steuerfestsetzung mangels Vollstreckungsmaßnahmen gegen die E ermessensfehlerhaft.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision zurückgewiesen. Das von den Erwerbern gekaufte Grundstück ist als einheitlicher Erwerbsgegenstand in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Ergibt sich neben dem zivilrechtlichen Verpflichtungsgeschäft aus weiteren Vereinbarungen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand. Solche Vereinbarungen liegen vor, wenn der Käufer beim Abschluss des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme nicht mehr frei war. Eine solche Einschränkung ist insbesondere gegeben, wenn wie im Streitfall der Bauvertrag bereits vor Abschluss des Kaufvertrags geschlossen wurde.
Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen auf, so müssen diese aufgrund von (nicht notwendigerweise vertraglichen) Abreden auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch des Werkvertrags hinwirken. Hierbei genügt es, wenn der Eigentümer das Grundstück dem Bauunternehmer lediglich "an die Hand gegeben", d.h. zur Vermarktung überlassen, hat. Abreden zwischen der für den Eigentümer handelnden Person und dem Bauunternehmer müssen dem Eigentümer persönlich auch nicht bekannt gewesen sein. Das FG ist nach diesen Grundsätzen zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass das Grundstück in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen ist.
Der Verkäufer schuldet die Grunderwerbsteuer gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG auch dann in voller Höhe, wenn das beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags tatsächlich unbebaute Grundstück in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Die am Erwerbsvorgang Beteiligten schulden jeder als Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 Satz 2 AO die gesamte Leistung. Dies gilt auch in den Fällen des einheitlichen Erwerbsvorgangs. Allerdings muss der Verkäufer selbst oder eine für ihn handelnde Person das Grundstück dem Dritten "an die Hand gegeben" haben. Aufgrund dieses Verhaltens ist die durch die Bebauung herbeigeführte tatsächliche Veränderung des Grundstücks seiner Sphäre zuzurechnen.
Die Entscheidung des FA, die von den Erwerbern noch nicht entrichtete Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin festzusetzen, ist nicht ermessensfehlerhaft. Ebenso wie bei der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners auf Zahlung gemäß § 219 Satz 1 AO genügt es dabei, wenn anzunehmen ist, dass die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Gesamtschuldners, der im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat, aussichtslos sein würde.
Das FA hat das Recht, die Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin festzusetzen, auch nicht verwirkt. Das hier notwendige Vertrauen ist insbesondere nicht gerechtfertigt, solange das FA die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilt hat und der Erwerber deshalb gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht in das Grundbuch eingetragen wurde.