Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Nachdem der BFH die Erstattung der von Bauträgern in den Altfällen zu Unrecht an die Finanzverwaltung abgeführten Steuerbeträge im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens nicht von weiteren Bedingungen abhängig gemacht hat, musste die Finanzverwaltung ihre dem entgegenstehende Rechtsauffassung aus dem Jahr 2017 aufgeben.
Die rechtliche Problematik
Der BFH hatte 2013 die bisher von der Finanzverwaltung vertretene Auslegung zur Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens bei ausgeführten Bauleistungen verworfen, die insbesondere die sog. "Bauträger" betraf. Da Bauträger nach der Rechtsauffassung des BFH keine Werklieferungen oder sonstigen Leistungen ausführen, unterlagen sie als Leistungsempfänger nicht dem Reverse-Charge-Verfahren.
Ein besonderes Problem hatte sich für die Altfälle ergeben. Waren die Beteiligten bei Leistungen bis zum 14.2.2014 davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. Abs. 5 Satz 2 UStG a. F. zum Steuerschuldner wird und stellte sich dies in Anwendung der Rechtsprechung des BFH als nicht zutreffend heraus, ergab sich die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen.
Im "Kroatienanpassungsgesetz" hatte der Gesetzgeber den Versuch einer Regelung unternommen. Beantragt der Leistungsempfänger für die vor dem 15.2.2014 an ihn erbrachten Leistungen die Erstattung der von ihm im Reverse-Charge-Verfahren berechneten und abgeführten USt soll die Vertrauensschutzregelung des § 176 AO gegenüber dem leistenden Unternehmer nicht gelten. Die Steuerfestsetzung ist gegenüber dem leistenden Unternehmer – soweit nicht Festsetzungsverjährung gegeben ist – zu ändern. Allerdings kann der leistende Unternehmer die ihm nach der Gesetzeslage zustehende zivilrechtliche Forderung auf die USt gegenüber dem Leistungsempfänger an das Finanzamt abtreten. Die Abtretung wirkt unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 UStG an Zahlungs statt. Trotz vorab geäußerter erheblicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Vorgabe hatte der BFH im Ergebnis die Änderung der Steuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer gebilligt, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch gegenüber dem Bauträger zusteht.
Die Finanzverwaltung hatte auf diese Entscheidung des BFH mit einer Aktualisierung eines BMF-Schreibens reagiert und darin (in Rz. 15a) u. a. ausgeführt, dass den Leistungsempfängern beantragte Umsatzsteuer-Erstattungen – unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben und des unionsrechtlichen Neutralitätsgebots – nur gewährt werden, soweit sie die nachträgliche Zahlung der fraglichen Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer nachweisen oder mit dem Erstattungsanspruch nach § 27 Abs. 19 UStG aufgerechnet werden kann. Im Übrigen wird die Umsatzsteuererstattung abgelehnt.
Der BFH hat jetzt in einer aktuellen Entscheidung diese einschränkende Sichtweise der Finanzverwaltung zurückgewiesen. Hat ein Bauträger aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen nach § 13b UStG versteuert, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das Finanzamt besteht.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom September 2018 hebt die Finanzverwaltung ihre bisher in der Rz. 15a des BMF-Schreibens v. 26.7.2017 vertretene Auffassung ersatzlos auf, dass einem Erstattungsbegehren des Bauträgers für die bis Februar 2014 angemeldeten Steuerbeträge nach § 13b UStG nur dann nachgekommen werden kann, wenn er entweder den Nachweis antreten kann, die Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer ausgezahlt zu haben oder eine Aufrechnungslage nach § 27 Abs. 19 UStG vorliegt.
Das Schreiben ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
Konsequenzen für die Praxis
Der nächste Paukenschlag im Bereich der Abwicklung für die Bauträgerfälle. Der Erstattungsanspruch des Bauträgers für die damals fälschlicherweise angemeldete Umsatzsteuer nach § 13b UStG kann von der Finanzverwaltung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Insbesondere die Verknüpfung mit dem Nachweis, die Umsatzsteuer an den bauleistenden Unternehmer gezahlt zu haben, wurde vom BFH zurückgewiesen, obwohl der BFH eine solche Überlegung selbst einmal in einem Verfahren für denkbar gehalten hatte, indem eine Verknüpfung mit den Grundsätzen zu § 17 UStG hergestellt wurde.
Der Bauunternehmer kann weiterhin seinen Steueranspruch, den er gegenüber dem Bauträger hat, an Zahlungs statt an die Finanzverwaltung abtreten – soweit die Finanzverwaltung ihm gegenüber eine geänderte Steuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 UStG durchsetzen kann. Der Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber dem Bauträger verjährt nach der Rechtsprechung des BGH nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung 3 Jahre, na...