Isabell Schastok, Dr. Jan Christoph Munck
Zusammenfassung
- Durch ein hohes Maß an Agilität in Entwicklungsteams und der gesamten Organisation können Unternehmen ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erhöhen, um so in geeigneter Form auf die Herausforderungen der fortschreitenden Digitalisierung reagieren zu können.
- Führungs-, Entscheidungs- und Kontrollverhältnisse müssen sich an die neue agile Umgebung anpassen. Wesentliche Herausforderung und gleichzeitig Grundvoraussetzung für die Steuerung agiler Teams ist der Abschied von traditionellen Command-and-Control-Mechanismen und eine Ermutigung zur Selbstkontrolle.
- Die Hauptaufgabe der Kontrollmechanismen liegt insbesondere darin, die Teammitglieder zu befähigen, innerhalb des Entwicklungsprozesses sinnvolle Entscheidungen zu treffen und gleichzeitig eine kontinuierliche Leistungssteigerung des gesamten Teams zu ermöglichen.
- Neben Instrumenten, wie dem Burndown Chart und dem Cycle Time Chart, sollten Unternehmen ein geeignetes Kennzahlensystem implementieren, das die Leistung der Entwicklungsteams auf individueller, Team- sowie auf gesamter Abteilungsebene misst und miteinander vergleicht.
1 Der Weg zu mehr Agilität: Management-Hype oder nächste Evolutionsstufe der Digitalisierung?
Agilität zur Meisterung der Digitalisierung
Berühmte Beispiele wie Airbnb, Apple und Netflix zeigen, dass Innovations- und Anpassungsfähigkeit ein immer bedeutenderer Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit sind und die Macht haben, Marktstrukturen und -verhältnisse radikal und nachhaltig zu verändern. Verschiedene Studien belegen , dass sich Innovationen in Unternehmen am besten agil umsetzen lassen und dass ein positiver Zusammenhang zwischen Agilität und wirtschaftlichem Unternehmenserfolg besteht. Demnach gelten agile Unternehmen als die erfolgreichste Organisationsform für die Herausforderungen der Digitalisierung.
1.1 Gründe für Agilität: Warum sollte Agilität auch auf Ihrer Aktivitätenliste stehen?
Die heutige Lebenswelt ist geprägt durch Volatilität (unerwartete und instabile Herausforderungen), Unsicherheit (schlechte Vorhersehbarkeit und Prognostizierbarkeit), Komplexität (Vielzahl an wenig standardisierbaren Herausforderungen) und Ambiguität (Mehrdeutigkeit von Ursache und Wirkung). Diese VUKA-Welt erfordert eine neue Art der Unternehmensführung, die adäquat auf die sich ständig ändernden Anforderungen durch neue Technologien oder Kundenerwartungen sowie den Innovationsdruck reagieren kann. Abgeleitet aus diesen Anforderungen an Organisationen, wird das Zielbild für Agilität beschrieben durch:
- Erhöhung der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit,
- Schnelligkeit bei Markteinführungen,
- effektivere Kooperation zwischen Entwicklung und Management,
- Schaffung innovativerer, qualitativ hochwertigerer, am Kunden ausgerichteter Produkte,
- verbesserte Kundenzufriedenheit sowie
- Kostenreduktion in Entwicklung und Management.
1.2 Grundzüge des agilen Projektmanagements
Der Ursprung des agilen Projektmanagements liegt in den agilen Methoden, die zunächst in der Softwareentwicklung angewandt wurden und deren Werte und Prinzipien erstmals 2001 im sog. Agilen Manifest niedergeschrieben wurden.
Abb. 1: Vorteile des agilen Projektmanagements
Aus den darin festgelegten Prinzipien lassen sich elementare Bestandteile des agilen Projektmanagements ableiten:
- Frühzeitige Einbindung des Kunden, um Minimalanforderungen zu identifizieren und langfristige Zufriedenheit sicherzustellen.
- Lieferung funktionierender Produkte bzw. Dienstleistungen bzw. Projektzwischenstände in bevorzugt kurzen Zeitspannen (sog. Sprints, meist wenige Wochen oder Monate lang) an Kunden oder interne Stakeholder.
- Einfache Lösungsansätze anstelle von komplexen Ansätzen ("Keep it short and simple", KISS-Prinzip).
- Intensive, enge und tägliche Zusammenarbeit von cross-funktionalen Teams.
- Selbstorganisation von Teams in Planung und Umsetzung (regelmäßige Selbstreflexion zur Identifikation der Effizienzsteigerung).
Die Umsetzung agiler Projekte erfolgt typischerweise über ein iteratives, inkrementelles Vorgehen, das Projekte in zeitliche Etappen (Iterationen) unterteilt. Grundlage für die Sprint-Planung ist dabei eine Produktvision, die die Arbeit im Projekt leitet, aber dennoch Abweichungen und Anpassungen zulässt. Zur Realisierung wird die Produktvision zunächst auf Aktivitäten heruntergebrochen und im "Product Backlog" zusammengefasst. Der "Product Backlog" besteht aus einer Liste mit Aktivitäten zur Umsetzung der Vision mit entsprechend priorisierten Anforderungen des Projekts. Am Ende jeder Iteration/Projektphase wird dadurch ein voll funktionsfähiges Zwischenprodukt als Teil der Vision fertiggestellt, das in einer Reviewphase durch wichtige Stakeholder und/oder Kunden auf Zielerreichung und Nutzung geprüft wird. Das entsprechende Feedback fließt dann in das "Product Backlog", und somit in die Arbeit der nächsten Phase, ein, sodass Kundenzentrierung und Qualität jederzeit sichergestellt sind. Als wichtigstes Fortschrittsmaß gilt im agilen Projektmanagement die Funktionsfähigkeit der Produkte/Dienstleistungen als Ergebnis der agilen Arbeit.
1.3 Agile Projektmanagementmethoden
Unterschiedliche Methoden für unterschiedli...